Matchpoint
Es ist besser, Glück zu haben, als gut zu sein, sagt sich Parvenu Chris und schiebt alle moralischen Bedenken beiseite. Einer der abgründigsten Filme von Woody Allen.
Auf den ersten Blick ein ungewöhnlicher Woody-Allen-Film: Er spielt in London, kommt ohne dessen nervös-neurotisches Alter Ego aus, enthält nicht einmal die typischen Bonmots und Oneliner. Sogar der Rhythmus ist anders, er verläuft in gleichmäßigem, recht schnellem Takt wie das Hin und Her eines Tennisspiels.
Doch unter der Oberfläche wirkt eindeutig der Geist Woody Allens. Chris, der Tennislehrer aus armen Verhältnissen, ist Zyniker, die Welt hat für ihn keinen Zweck und kein Ziel; und dass er in eine Upper-Class-Familie einheiratet, ist einfach Glück: luck, nicht happiness. Anfangs stört es ihn noch, einer Gesellschaft anzugehören, die ihn eigentlich ablehnt. Und vielleicht zieht ihn das auch zu Nola, der verlassenen Verlobten des Schwagers, hin. Bei ihr kann er seine Leidenschaft ausleben, doch zugleich richtet er sich in der materiellen Bequemlichkeit der reichen Familie ein.
Langsam und stetig steigert sich der Film von der Aufsteigersaga über ein Ehebruchsdrama zum veritablen Thriller. Allen zwingt den Zuschauer zur Identifikation mit Chris, der – charmant und rückgratlos – sein Gewissen erfolgreich zu verdrängen weiß. Er steht zwischen seiner Ehefrau Chloe und der Geliebten Nola – und er ahnt, dass eine falsche Entscheidung ihn ganz von vorne anfangen lassen kann. Und dennoch – Zauber des Kinos – fühlt der Zuschauer mit ihm, auch wenn er größte Schuld auf sich lädt.
Schuld und Moral, Gerechtigkeit und Strafe sind Allens Themen. Chris liest Dostojewskis „Schuld und Sühne“, und in den Arien großer Opern erkennt er alle Tragik der Welt. Allen verarbeitet diese Themen für einen seiner abgründigsten Filme, der sich erst gegen Ende als Exempelstück zu erkennen gibt. Doch das lindert die Beklemmung nicht. Selten hat Allen so gezielt auf Witz verzichtet, um den Zuschauer zu packen und ihn dann über dem Abgrund loszulassen. Perfekte Unterstütztung kommt von den SchauspielerInnen: Ein einziger Blick von Scarlett Johansson enthält die Entwurzelung und lebenslange Demütigung ihrer Figur, und Jonathan Rhys Meyers überzeugt als jemand, der sich in seinem Dilemma windet und doch zielsicher dem Ausweg zustrebt. Für ihn hat die konsequente Entscheidung zwischen Leidenschaft und Bequemlichkeit nichts mit Moral zu tun, sondern nur mit Verdrängung. Glück ist die schöne Seite des Zufalls, aus dem die Welt besteht, aber um Gerechtigkeit schert es sich nicht.