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Filmstart

Matrix Resurrections

| Marc Hairapetian |
Trotz Neos Auferstehung kommt der vierte Teil der einst so philosophischen Sci-Fi-Action-Saga über das Erzählen einer kitschigen Liebesgeschichte kaum hinaus.

War das nötig? An sich war die Matrix-Trilogie (1999 1. Teil, 2003 folgten mit Reloaded und Revolutions gleich zwei Fortsetzungen) in sich schlüssig, abgeschlossen und die Protagonisten Neo (Keanu Reeves) und Trinity (Carrie-Ann Moss) faktisch tot. Fast 20 Jahre später folgt nun mit Resurrections ein „Zurück zum Ursprung“, wie Warner Bros. wirbt. Dabei kann sich Lana Wachowski, die noch vor dem Transgender-Coming-out als Laurence Wachowski ihre Regie- und Drehbuch-Karriere begann und diesmal auf ihre Schwester Lilly (ehemals Bruder Andrew Paul) hinter der Kamera verzichtet, nicht entscheiden, ob ihr neuestes Werk ein Reboot, Update oder Sequel ist.

Wie Wes Cravens Meta-Slasher Freddy’s New Nightmare (1994) ist auch Matrix Resurrections in einer Welt angesiedelt, in der die Vorgängerfilme existieren – allerdings als Videospiele und nicht als Kino-Epen. Spieledesigner Thomas Anderson (Keanu Reeves) führt seit Abschluss seiner berühmten „Matrix“-Reihe in San Francisco ein recht langweiliges Leben. Um seine ständigen Halluzinationen zu unterdrücken, geht er zur Therapie und nimmt Medikamente. Versuche eines Kollegen, ihn endlich mit seinem heimlichen Schwarm Tiffany (Carrie-Anne Moss) bekannt zu machen, scheitern. Erst der obercoole Morpheus (Yahya Abdul-Mateen II) zeigt ihm auf, wie er zu seinem „wahren Ich“ finden kann. Und das liegt in der Matrix, die gefährlicher als je zuvor ist und zudem voller Déjà-vus steckt…

Alles Neo macht der Mai, doch die Ausgangslage bei Resurrections ähnelt dem Ausgangspunkt: Die Menschheit verlor zu Beginn des 21. Jahrhunderts einen Krieg gegen von ihr selbst erschaffene künstliche Intelligenzen. Denn obwohl Homo sapiens den Himmel verdunkelte, um Deus ex Machina an der Sonnenenergiegewinnung zu hindern und so auszuschalten, nutzten die einstigen Diener fortan die Wärme der Körper ihrer Herren als Energiespeicher und entwickelten die Computersimulation der Matrix, um die bewusstlosen Menschen unter Kontrolle zu halten. Anstatt diesen Klassenkampf unter umgekehrten Vorzeichen zu vertiefen, holt Wachowski Neo und Trinity ins Leben zurück und gönnt ihnen eine bisweilen kitschige Liebesgeschichte. Keanu Reeves ist mit seinem 57 Jahren zwar noch körperlich voll auf der Höhe, schließlich beherrscht er laut eigenem Bekunden über 200 verschiedene Martial-Arts-Techniken, aber seine Augen wirken erloschen. Die sehnsuchtsvollen Blicke, die signalisieren sollen, Tiffany möge sich doch für ihn wieder in Trinity verwandeln, nimmt man ihm nicht ab. Kein Wunder, dass Laurence Fishburne (Ur-Morpheus) und Hugo Weaving (Antagonist Agent Smith) diesmal abgewunken haben und nur als „Archiv-Material“ auftauchen.

Die obligatorischen Gun-Fu-Sequenzen sind alle solide inszeniert, auch wenn der Überraschungseffekt von anno dazumal natürlich dahin ist. Während die Vorgängerfilme noch von künstlichem Licht und monochromen Schauplätzen dominiert wurden, setzt das Kamerateam Daniele Massaccesi und John Toll diesmal auf farblich gesättigtere Locations in San Francisco beziehungsweise Sets in Studio Babelsberg. Alles wirkt freundlicher, selbstironischer, aber auch austauschbarer … Die stilisierte Sprache ist einem heutigen Jugend-Jargon gewichen. Und somit ist Resurrections nicht die erhoffte Auferstehung, sondern der Grabstein für eine vormals so innovative wie philosophische Sci-Fi-Action-Saga.