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Meine Mutter

| Pamina Kowalski |

Georges Batailles gleichnamiges Romanfragment über eine inzestuöse Liebe zwischen Mutter und Sohn inspirierte Christophe Honoré zu seinem zweiten Spielfilm.

Christophe Honoré ist ein Rastloser. Er ist Schriftsteller, vor allem erfolgreicher Autor von Jugendromanen, Theaterautor, Filmkritiker, Filmemacher. Für seinen zweiten Kinospielfilm hat er Inspiration bei Georges Bataille, einem der Autoren gesucht, die ihn mit der besonderen Radikalität ihrer Literatur geprägt haben. Ma Mère sollte keine Adaptation der Romanvorlage werden, sondern vielmehr als Denkanstoß dienen, eine Reflexion über Moral und Begehren, das Überwinden der Grenzen und der Irrungen der Körper anzustellen.

Kurz nachdem Pierre (Louis Garrel) seine Eltern in ihrem luxuriösen Domizil am Meer aufsucht, kommt sein Vater bei einem Unfall ums Leben. Ungerührt und kalt teilt die Mutter (Isabelle Huppert) ihrem Sohn die Nachricht mit, für beide scheint das Unglück keine sichtbare Bruchstelle in ihrem Leben zu bedeuten. Mit dem Tod des Vaters ist die letzte Barriere zwischen der Mutter und dem 17-jährigen Sohn gefallen, der in grenzenloser Hingabe bereit ist, ihr zu folgen. Ihre ambivalenten Versuche, ihn durch ihre dekadenten Ausschweifungen von sich zu stoßen, bleiben ohne Erfolg. Regisseur Honoré hat den Schauplatz in die Tourismusfallen der Kanarischen Inseln verlegt, wo Urlauber im aufgeheizten Ambiente von Sea, Sex and Sun ihren genormten Alltag für kurze Zeit, aber umso hemmungsloser hinter sich lassen. Seine Protagonisten – Inselbewohner – bewegen sich vor dem Hintergrund dieser Umgebung in einer eigenen, irrealen Welt, losgelöst von existenziellen Sorgen, emotionalen Beziehungen, moralischen Schranken. Ihr Handeln ist ohne Ziel, bestimmt vom Ruf der Instinkte und dem Diktat des Körpers.

Christophe Honorés Absicht, mit diesem Film von Figuren zu erzählen, die lebendiger und freier von den Einwänden der Vernunft als wir Zuschauer leben, ist in der Umsetzung nicht wirklich gelungen, zu sehr verliert er sich samt seinen Figuren. Aber er ist ein Suchender, einer, der sich als Filmemacher auf den Weg gemacht hat und auch das Risiko eingeht, sich zu verirren. Ehe nun sein zweiter Spielfilm in die österreichischen Kinos kommt, war sein dritter, Dans Paris, bereits im Rahmen der Viennale zu sehen und hat es sein vierter, Les Chansons d’amour, kürzlich in den Wettbewerb des Festivals von Cannes geschafft. Ma Mère steht also längst im Kontext des Schaffensprozesses eines vielseitigen Künstlers, der ohne Zweifel im Auge zu behalten ist.