ray Filmmagazin » Drama » Meine schöne innere Sonne / Un beau soleil intérieur

Filmkritik

Meine schöne innere Sonne / Un beau soleil intérieur

| Pamela Jahn |
Juliette Binoche auf Liebesfang

Als Roland Barthes Mitte der siebziger Jahre seine berühmten „Fragmente einer Sprache der Liebe“ schrieb, stellte er gleich zu Beginn fest, „dass der Diskurs der Liebe heute von extremer Einsamkeit ist“. Und überhaupt, dass er von niemandem verteidigt würde. Dem hat sich nun Claire Denis in ihrem von Barthes’ Text inspirierten, neuen Film angenommen, in der sie Juliette Binoche als gestandene, geschiedene Mutter auf der Suche nach der wahren Liebe durch eine erotische Midlife-Crisis jagt. Binoche spielt darin die Künstlerin Isabelle, die – wo sonst – in Paris lebt und dem unbefriedigten Dasein frönt. Enttäuscht von den Männern, mit denen sie ins Bett geht, aber unentschlossen darüber, was oder wen sie eigentlich will, schlägt sie sich von einer Verabredung zur nächsten, um am Ende doch wieder allein vor ihrem Therapeuten zu sitzen. Zu den schillerndsten Begegnungen auf ihrem Selbstfindungstrip gehören ein aufgeblasener Banker, ein so schöner wie konfuser Schauspieler, ein sensibler Künstlerkollege sowie ein Playboy, der sie mit „At Last“ von Etta James in einer Bar zu bezirzen versucht, ganz zum Unmut des mürrischen Galeriebesitzers, der längst selbst ein Auge auf die attraktive Malerin geworfen hat. Aber ganz umsonst waren die verpatzen Dates ja vielleicht doch nicht, immerhin lernt Isabelle, und wir mit ihr, mit jedem scheinbar endlosen Vorspiel, zu dem immer auch ein intensives Kennenlerngespräch gehört, ihre eigentlichen Wünsche und Bedürfnisse zu formulieren, in der leisen Zuversicht, dass es für sie am Ende doch noch Hoffnung gibt. Claire Denis inszeniert das Ganze überraschend leichtfüßig und präzise, zugleich als eine illustre Komödie der Ideen, in der es um die Liebe im Allgemeinen und die weibliche Sexualität im Speziellen geht, und wo bis zum Umfallen geredet wird. Das hervorragend scharfzüngige Drehbuch entstand in Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin Christine Angot, aber zum Leben erweckt und veredelt wird es hier in erster Linie durch eine weitere Glanzleistung von Binoche, die ihre Isabelle so fest und so liebevoll im Griff hat, dass man ihr nicht nur die absurdesten Situationen und Konstellationen abnimmt, in die sie sich immer wieder verrennt, sondern man am Ende sogar selbst ein bisschen sexier und smarter aus dem Kino schlendert. Natürlich lassen Ernüchterung und die nächste Enttäuschung weder im Kino noch im wahren Leben lange auf sich warten, aber mit diesem wunderbar klugen und amüsanten Film im Hinterkopf lässt sich das schwere Los der Liebe zumindest ein Stück weit leichter tragen.