Er läuft und läuft und läuft
Selten kommt es vor, dass eine lang laufende Blockbuster-Reihe mit den Jahren an Qualität zulegt – doch im Fall von Mission Impossible scheint das Unmögliche geschafft: Fallout ist das mitreißendste Abenteuer von Superagent Ethan Hunt (Tom Cruise). Nach drei soliden bis durchwachsenen ersten Kapiteln, die zwischen 1996 und 2006 veröffentlicht wurden, und für die Brian De Palma, John Woo und J. J. Abrams am Regiestuhl Platz nahmen, gelang es erst Brad Bird mit Ghost Protocol (2011), Stunts und Humor in ein wirklich ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Rogue Nation (2015) wurde schließlich von Christopher McQuarrie inszeniert, der spätestens seit dem Drehbuch-Oscar für The Usual Suspects (1995) als Experte für spannende Verwirrspiele gilt – ein Volltreffer. Hunt erschien zwar immer noch als Agent der Extraklasse, doch erhielt er eine zunehmend humanere, verwundbare Seite. Abwechslungsreiche Locations, die für internationales Bond-Flair sorgen, gab es ja schon von Anfang an, und vom Dreh rund um die Wiener Staatsoper schwärmen hiesige Kultur- und Wirtschaftspolitiker heute noch gern. Film Nummer sechs, erneut geschrieben und inszeniert von McQuarrie, schließt erstmals direkt an einen Vorgänger an – und toppt sämtliche Elemente: Die Spannung packt den Zuseher von Anbeginn an und lässt bis zum Finale nicht nach. Cruise, der für die Qualitätskontrolle seiner Filme bekannt ist, hat sich nach dem Patzer mit dem unfreiwillig komischen Horrordesaster The Mummy (2017) wieder gefangen.
In Fallout ist die Welt, wie der Titel schon andeutet, vor atomaren Anschlägen bedroht, die eine Terrorgruppe namens „The Apostles“ plant. Im Zentrum der Kabale steht dabei erneut der in Rogue Nation geschnappte Bösewicht Solomon Lane (Sean Harris). Hunt und sein bewährtes IMF-Team (Ving Rhames, Simon Pegg) sind hinter den Sprengköpfen her, gehen wechselnde Allianzen ein, setzen sich die berühmten Gummimasken zur Täuschung auf, nehmen gezwungenermaßen an einer Befreiungsaktion für Lane teil und haben den CIA im Nacken, der die IMF lahmlegen möchte. Zwielichtig sind dabei besonders die Motive des CIA-Mannes Walker (Henry Cavill bringt seinen wuchtigen Superman-Körper in Kampfszenen überaus effektiv zum Einsatz), der Hunt als Aufpasser zur Seite gestellt wird. Die Nonstop-Hatz führt die Agenten an Locations wie Paris, London und Kaschmir, wobei es zu Verfolgungsjagden mit allen möglichen Vehikeln – vom Motorrad über das Schlauchboot bis hin zum Hubschrauber – kommt. Das Beste daran: CGI wurde nach Möglichkeit reduziert, hier wirkt sehr Vieles echt. Tatsächlich gibt es jede Menge „practical stunts“, darunter eine packende Skydiving-Szene, die Adrenalin-Junkie Cruise selbst bestritt. Er sprang in rund 8000 Metern Höhe aus einem Flugzeug – eine Betätigung, die unter dem militärischen Begriff HALO bekannt und normalerweise Fallschirmjägern vorbehalten ist. Gefilmt wurde dabei mit einer speziellen Helmkamera. Dass Cruise der erste Schauspieler überhaupt ist, der einen derart riskanten Stunt gewagt hat, ringt Respekt ab, zumal der Mann immerhin 56 Lenze zählt (bereits für Rogue Nation ließ er sich an die Außenwand eines startenden Flugzeuges schnallen, ebenfalls keine Kleinigkeit). Auch sonst sieht man Cruises Gesicht recht deutlich, beispielsweise während einer Actionszene in London, bei deren Dreh er sich schwer am Bein verletzte (Cruise sprang von einem Hausdach zum nächsten, Videos des Unfalls kursieren auf YouTube). Dass man in unserer CGI-dominierten Zeit Making-ofs braucht, um die Echtheit von Stunts zu verifizieren, ist natürlich schon schwer ironisch und führt in die Gefilde von Bildskeptikern wie Werner Herzog, der ja mit Cruise in McQuarries Jack Reacher vor der Kamera stand …
Doch zurück zur Sache: Faustkämpfe, Schießereien oder Kletteraktionen sind packend ins Bild gerückt, und zwar ohne übertrieben frenetische Schnitte; der Zuseher hat Zeit, sich auf das Geschehen einzulassen und bewahrt auch geografisch den Überblick. Lorne Balfes Musik, die Lalo Schifrins berühmtes „Mission Impossible“-Thema aus der Fernsehserie gekonnt variiert, begleitet das Geschehen stimmig. Gut dosierter Humor verschafft klitzekleine Atempausen, etwa wenn Cruise, um seinen Häschern zu entkommen, ein feierliches Begräbnis in einem Dom passieren muss. Schließlich ist da noch der Spion, der sie liebte: Hunts Ex-Frau (Michelle Monaghan) taucht ebenso auf wie Agentin Ilsa (Rebecca Ferguson) aus dem Vorgängerfilm. Gegen Ende gibt es zwar einen kleinen Action-Overkill, bei dem man ein paar Minuten hätte streichen können, und die Handlung (ein oder zwei Twists sind vorhersehbar und wer letztlich was von wem will, ist irgendwann nicht mehr so wichtig) ist letztlich nur ein Aufhänger für Action, Tempo und Thrill. Doch sind diese Elemente in der DNA des Kinos zu finden – der Lust an purer Kinetik, von der bereits der frühe Film lebte, darf man sich selbstverständlich auch als Cineast hingeben. Wie bei jedem guten Thriller seit Hitchcock folgt man der Reise gern und lässt die MacGuffins MacGuffins sein.