Der große französische Komiker Pierre Richard im Gespräch über seinen neuen Film, über seinen Kampf mit dem Computer und über indiskrete Fragen.
Er wird demnächst 83, aber das spitzbübische Grinsen und das Augenzwinkern sind ihm geblieben: Pierre Richard – für die Nachgeborenen – war einer der erfolgreichsten und lustigsten Komiker der siebziger und achtziger Jahre; sein Film Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh (1972) erlangte, vor allem in der herrlichen Synchronfassung von Rainer Brandt, Kultstatus. 2011 feierte er mit Und wenn wir alle zusammenziehen? ein erfolgreiches Comeback. Was lag also näher, als mit dem gleichen Regisseur (Stéphane Robelin) eine neue Komödie zu drehen? Diese heißt Monsieur Pierre geht online (Un Profil pour deux, Filmladen, 11. August), und Richard spielt darin einen verbitterten alten Mann, der von seiner Tochter einen Computer geschenkt bekommt – samt Alex, einem jungen Mann, der ihm die wichtigsten Handgriffe beibringen soll. Das mit dem „Fenster öffnen“ klappt zwar nicht auf Anhieb, aber bald entdeckt Pierre die Freuden des Internet-Dating. Er schreibt die poetischen Postings, Alex erntet die ansehnlichen Früchte. Eine harmlos-amüsante Sache. In einer Nebenrolle ist übrigens Macha Méril, eine Muse der frühen Nouvelle Vague, zu sehen.
Monsieur Richard, Ihr letzter Film in österreichischen Kinos war 2011 „Und wenn wir alle zusammenziehen?“. Da kann man leicht den Eindruck bekommen, Sie hätten sich zur Ruhe gesetzt. Dabei drehen Sie noch immer jedes Jahr zwei, drei Filme. Woher nehmen Sie diese Energie?
Sind es wirklich so viele? Stimmt, dieses Jahr sind es sogar vier. Ich drehe unter anderem einen Film mit Sophie Marceau. Aber ich spiele in den letzten Jahren vor allem Theater, das hält mich jung.
Wird Ihnen schnell langweilig?
Das ist einfach mein Naturell, mein Wesen. Ich tue nicht wirklich was, um fit zu bleiben. Aber ich lebe auch nicht völlig ungesund und ruiniere mich nicht. Ich habe mir immer meine Neugier bewahrt, ich lasse mich gerne überraschen. Daraus ziehe ich meine Kraft. Ich habe vor kurzem meinen Arzt angerufen und ihm gesagt, dass es mir nicht gut gehe. Darauf meinte er: „Ihnen geht’s prima, machen Sie sich keine Sorgen.“ Und mir war plötzlich klar: Mir fehlte wirklich nichts, ich wollte nur mal jammern. Wenn ich dann wieder vor der Kamera oder auf der Bühne stehe, blühe ich förmlich auf. Ich brauche das wie die Luft zum Atmen.
In „Monsieur Pierre geht online“ spielen Sie einen Witwer, der im fortgeschrittenen Alter im Internet auf Partnersuche geht. Wie stehen Sie selbst zu sozialen Medien und Smartphones?
Ich habe ein Smartphone, mit dem ich telefoniere und Textnachrichten und Mails verschicke, manchmal google ich auch. Aber das ist es dann auch schon. Das Handy und ich kommen ganz gut klar. Mit meinem Computer habe ich sehr viel mehr Probleme. Ich mag ihn nicht, er mag mich nicht. Er stellt mir dauernd Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Dann tippe ich irgendwas ein und er blockiert total. Am Ende klappe ich ihn einfach frustriert zu.
Aber mal ehrlich: sind Sie anonym auf Facebook, haben Sie schon mal Dating Websiten ausprobiert?
Nein, nein, nein! Ich halte das auf einem Minimum. Oh, ein Geheimnis kann ich Ihnen verraten: Ich mache im Internet gerne Kreuzworträtsel. Und dabei schummle ich auch mal und spicke bei Google.
Sie haben eine sehr aktuelle Website.
Das macht aber ein guter Freund von mir. Er leitet mir auch Mails und Anfragen weiter, auf die ich antworten kann. Er sortiert das für mich vor, die miesen Sachen enthält er mir sicher vor.
Als Sie vor mehr als einem halben Jahrhundert anfingen Frauen kennenzulernen, war das wahrscheinlich noch sehr viel persönlicher als heute. Ist Flirten in Zeiten von Apps unromantischer geworden?
Es gibt sicher auch heute noch junge Menschen, die romantisch sind, das hat nichts mit dem Alter zu tun. Es hängt viel mehr vom Charakter jedes einzelnen ab als mit einer Technologie. Es gab damals wie heute schüchterne Menschen genauso wie Romantiker. Machos und Draufgänger setzen sich immer durch, oder? Aber ich bin kein Psychologe oder Soziologe, um Ihnen diese Frage zu beantworten.
Wie machte man denn in Ihrer Schulzeit ein attraktives Mädchen auf sich aufmerksam?
Oh, ganz einfach! Ich schrieb einen Zettel, den ich dann hinter der Tafel versteckte oder der über die Klassentische weitergereicht wurde. Auf dem stand: Willst du mit mir gehen? Ja, nein, vielleicht. Eigentlich hübscher als heute, oder?
Im Film buhlen Sie mit einem Mittzwanziger um die Gunst einer schönen Frau. Welchen Ratschlag würden Sie heute einem Mann geben, der ein halbes Jahrhundert jünger ist als Sie?
Jeder hat seine eigenen Waffen. Der Typ im Film sieht super aus, andere haben vielleicht Humor oder sind liebenswürdig. Und es gibt die Machos. Jede Frau und jeder Mann hat da einen eigenen Typ. Und entsprechend muss man sich anpassen.
Dann lassen Sie uns doch konkret werden: Wie definieren Sie sich selbst?
Was hat das mit dem Film zu tun? Das ist mir zu persönlich! Ich stelle mir diese Frage nicht. Nur eins: Ich halte mich für witziger als die Figur im Film.
Viele Komiker sollen privat eher ernsthaft oder sogar depressiv sein. Ist da was dran? Oder ist das ein Klischee?
Ich zumindest bin nicht depressiv. Aber Sie können mich gerne einen Pessimisten nennen. Mir ist klar, dass ich Menschen nicht ändern kann. Aber ich hoffe, sie durch Humor zu entlarven.
Hat sich Ihr Humor seit den Sechziger Jahren verändert?
Nein. Das glaube ich zumindest nicht. Meine Rollen haben sich nicht großartig geändert…. In dem letzten Film, den Sie kennen, Und wenn wir alle zusammenziehen?, spiele ich jemanden, der Alzheimer hat, auch wenn ich selber nicht darunter leide. Und wenn ich auf eine Frage antworte, die mir nicht so liegt, kann es sein, dass ich nicht so genau reagiere.
Sie schummeln also doch!
Klar, ich höre nicht immer genau zu. Und antworte dann auch nicht korrekt auf jede Frage. Das ist manchmal ganz hilfreich. Ich bin schon gerne mal der nörgelnde Meckerer, und das kommt gut an. In diesem Film erpresse ich ja auch emotional, das liebe ich! Beim Tennis jaule und jammere ich gerne mal – und gewinne damit das Spiel!
Diese Figur ist das Gegenteil Ihrer Tollpatsch-Charaktere aus den Komödienklassikern der siebziger und achtziger Jahre. Haben Sie endgültig genug von diesem Image?
Nein, das war ja auch ich! Und das hat sich blendend verkauft! Wie viele gab’s denn damals in der französischen Komödie? Jacques Tati, Louis de Funès und mich! Und das funktionierte überall, hier genauso wie in Moskau oder Paris. Es gibt tatsächlich noch eine Rolle, die ich wahnsinnig gerne spielen würde. Aber die verrate ich Ihnen natürlich nicht.