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Moonrise Kingdom

Filmkritik

Moonrise Kingdom

| Andreas Ungerböck |

Superspaß mit Superstars: Wes Andersons Komödie „Moonrise Kingdom“ ist ein Highlight des Kinojahres.

Trupp 55 der Khaki-Scouts (einer ganz ähnlich strukturierten und ähnlich gekleideten bekannten Jugendorganisation nachempfunden) verbringt alljährlich den Sommer in einem Camp auf der fiktiven New Penzance Island in New England. Mit dabei ist auch der 12-jährige Waisenjunge Sam Shukarsky (hört sich, ausgesprochen, wie ein bedeutender österreichischer Avantgarde-Filmemacher an). Doch der hat sich im Vorjahr in die gleichaltrige Suzy Bishop verliebt, die auf der Insel lebt, und sein lang gehegter Plan wird nach einem Jahr heftig betriebener Brieffreundschaft endlich Wirklichkeit: Sam verlässt das Scout-Camp auf die unelegante Art, um mit seiner geliebten Suzy durchzubrennen, mit der ihn nicht nur mehrere schräge Interessen, sondern auch ein beträchtliches Aggressionspotenzial verbindet – wie die Verfolger der beiden schmerzhaft erfahren müssen. Sam ist deswegen sogar aus dem Waisenhaus geflogen, weil er dort größere Jungen immer wieder attackiert hat. Man will ihn nicht zurückhaben, wie der Heimleiter glaubhaft versichert. Doch, ach, die Flucht der jungen Liebenden ist kurz, denn die Insel ist verdammt klein, Suzy und Sam werden bald geschnappt, obwohl Sam ein vorbildliches Camp aufgebaut hat, und getrennt. Die bange Frage erhebt sich: für immer?

Wes Anderson und Ko-Autor Roman Coppola, Sohn des Vaters und Bruder der Schwester, haben ein wunderbares Märchen geschrieben, eine herzzerreißende Liebesgeschichte, einen flotten Abenteuerfilm, einen düsteren Katastrophenfilm (eine Sturmflut zieht heran, die alles wegzuspülen droht), einen ziemlich handfesten Actionfilm, eine Coming-of-Age-Story, und das alles auf einmal – und natürlich eine brillante Komödie. Dass das alles gelingt, ist zuallererst ein Verdienst der beiden großartigen Kinderdarsteller, aber auch der illustren erwachsenen Besetzung, die sichtlich großen Spaß an der Sache hat – und wir mit ihnen: Bruce Willis als gefühlsduseliger Insel-Polizist ganz gegen sein Image besetzt, Edward Norton (Porträt) als Scout-Master Ward (meisterlich auch seine Leistung), Frances McDormand und ein – wie stets bei Anderson – völlig durchgeknallter Bill Murray als Suzys Eltern, Tilda Swinton, umwerfend als böse Fürsorgerin „Social Services“, und ein unglaublich komischer Harvey Keitel als leicht seniler Ober-Scout. Dazu kommen Andersons bekanntes Faible für skurrile Details und bewusst handgestrickte „Special Effects“, und ein erzählerischer Drive, der seinem letzten Realfilm, Darjeeling Unlimited, leider abging. Nun ist der Meister der abseitigen Komödie wieder in Hochform, kein Wunder also, dass das honorige Festival in Cannes diesen funkelnden Edelstein als Eröffnungsfilm wählte. As good as it gets.