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Mother!

| Andreas Ungerböck |

Darren Aronofskys kleine Horrorshow.

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Darren Aronofsky gilt seit seinem aufsehenerregenden Indie-Debüt Pi (1998), der ein X-faches seiner Kosten an den Kinokassen einspielte, als eine Art Wunderwuzzi in Hollywood. Seinem Ruf wurde er durchaus gerecht, wenngleich manche seiner „experimentellen“ Filme (so das Etikett, das man ihm verpasst hat) ziemlich an der Kippe zum Konventionellen, wenn nicht gar zum Banalen stehen. Viel Brimborium, viel Show, aber letztlich gar nicht so viel dahinter, könnte man sagen. Mit seiner Großproduktion Noah (2014) scheiterte er spektakulär.

Gescheitert ist sein Film Mother!, der erst kürzlich bei den Filmfestspielen in Venedig seine Weltpremiere feierte, gewiss nicht, aber wer Vorbehalte gegen Aronofskys Kino hat, der wird hier reichlich Nahrung finden. Zu allererst ist der Plot leider beinahe so alt wie Noahs Bart: Eine junge Frau (Jennifer Lawrence, nach Jennifer Connelly und Rachel Weisz bereits die dritte seiner Hauptdarstellerinnen, die Aronofsky im Zuge der Arbeit auch privat ans Herz gewachsen ist) lebt mit ihrem Schriftsteller-Gatten (Javier Bardem) in einem einsamen Landhaus, scheinbar in Frieden und Eintracht. Doch damit ist es vorbei, als eines Tages zwei unbekannte Besucher (Ed Harris und Michelle Pfeiffer, no less) auftauchen, die ihr Mann offenbar eingeladen hat (oder auch nicht), die sich auf unangenehme Weise im Haus einnisten und außerdem noch allerlei Trouble im Gepäck haben. Die namenlose Frau ist zunehmend irritiert von den Vorgängen und vom – sagen wir – etwas seltsamen Verhalten ihres Gatten.

Doch damit nicht genug: Schließlich (die Frau ist inzwischen hochschwanger, siehe Titel) treffen nach und nach Verehrerinnen und Verehrer ihres Mannes in rauen Massen ein und verwandeln das traute Heim endgültig in ein Tollhaus: „home invasion“ der allerschlimmsten Sorte, bis hin zu religiöser Raserei, Feuergefechten, Erschießungen und Schlimmerem. Doch weil wir in einem Horrorfilm oder doch zumindest in einem Psychothriller sind, stellt sich natürlich die Frage: Ist alles so, wie es scheint? Oder spielt sich das Geschehen nur in jemandes Kopf ab – und wenn ja, in wessen Kopf? Das kann man interessant finden, muss man aber nicht unbedingt, denn Aronofsky scheut sich, wie sich herausstellt, nicht, die ollesten Kamellen, um das einmal so zu sagen, des Genres aufzubieten, um den weniger hartgesottenen Teil des Publikums zu erschrecken: von den üblen Nachbarn aus Rosemarie’s Baby über die beliebten Haunted-House-Versatzstücke (eine knarzende Tür hier, eine blutende Wand dort) bis hin zum Zimmer, in das man nicht gehen soll, ist wirklich alles da, was der Horror-Baukasten hergibt. Das ist leider enttäuschend, gerade weil allenthalben Spitzenkräfte am Werk sind: Jennifer Lawrence meistert ihre Rolle, in der sie nahezu durchgehend im Bild ist, mit Bravour, Javier Bardem ist unheimlich undurchschaubar, Kameramann Matthew Libatique arbeitet mit Aronofsky schon seit Pi, und Komponist Jóhann Jóhannsson veredelte zuletzt gleich drei Filme von Denis Villeneuve.

Mit dem Schlussbild, das sich der geneigte Horrorfan schon zehn Minuten vorher im Geiste ausmalen kann, endet ein Film, der eine Stunde lang, so lang er noch dabei ist, Spannung aufzubauen, gut funktioniert, ehe er zunehmend im Getöse und in bloßen erzählerischen und visuellen Behauptungen untergeht. Dass der Film „experimentell“ und deswegen verstörend sei, wie jemand nach der Venedig-Premiere schrieb, muss jedenfalls entschieden zurückgewiesen werden. Und dann sollten wir noch über Aronofskys Frauenbild sprechen …

 

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