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Mütter und Töchter

Filmkritik

Mütter und Töchter / Mother and Child

| Alexandra Seitz |

Einem hervorragendem Ensemble gelingt die Ehrenrettung einer gefühlsduseligen Schmonzette.

Als sie mit 14 schwanger wurde, musste Karen ihr Baby zur Adoption freigeben. Seitdem begleitet sie der imaginierte Schatten der verlorenen Tochter durchs Leben wie eine ungesühnte Schuld. Elizabeth ist ehrgeizig, zielstrebig, skrupellos. Sie hat immer alles unter Kontrolle und fest im Griff. Doch dann wird sie ungeplant schwanger. Bei ihrem Bemühen, ein Kind zu adoptieren, stößt Lucy auf mannigfaltige Schwierigkeiten. Sie hat die Hoffnung fast aufgegeben – da fällt ihr ein Baby in den Schoß, sozusagen.

Karen, Elizabeth und Lucy sind die Titelheldinnen von Rodrigo Garcías Ensemble-Film Mother and Child. Drei Frauen, deren Lebenswege einander zwar nicht in jedem Fall kreuzen, deren Schicksale aber – das wird sich im Verlauf der Geschichte herausstellen – kunstvoll miteinander verwoben sind. Zwar dauert es eine Weile, bis die Struktur des narrativen Gewebes sichtbar wird und man erahnt, wie alles mit allem zusammenhängt. Doch bei einem Film aus der Feder des Sohns von Gabriel García Marquez, als dessen ausführender Produzent der notorische Geschichten-Zersplitterer Alejandro González Iñárritu fungiert, darf es einen nicht wundern, wenn es erzählerisch etwas komplizierter zugeht. Wobei das dramaturgische Verfahren des Fragmentierens und Anders-Zusammensetzens letztlich auch nur darauf abzielt, die alte Frage nach Zufall oder Vorsehung und ihre Rolle im großen Ganzen neu zu stellen. Und auf das große Ganze hat es García
zweifelsohne abgesehen.

Jede der drei Frauen wird in ihrer Beziehung zu an- oder abwesenden Müttern, fremden oder eigenen Töchtern charakterisiert. Jede der drei definiert sich in gewisser Hinsicht über ihre Eigenschaft beziehungsweise Eignung als Mutter und/oder Tochter. Auf diese Weise knüpft García, durchaus elegant, ein engmaschiges Netz aus sich gegenseitig kommentierenden Figuren-Relationen. Verstärkt wird es durch die starken Emotionen, die an diese erste und fundamentalste aller menschlichen Bindungen, die zwischen Mutter und Kind, geknüpft sind. Männer kommen in diesem Film eher am Rande vor, das fällt aber nicht unangenehm auf. Stattdessen erhalten drei wunderbare Schauspielerinnen genügend Raum, zu schöner Geltung zu kommen: Annette Bening, die für ihre Darstellung der Karen eine Oscarnominierung erhielt; Naomi Watts, die Elizabeth mit aller ihr zur Verfügung stehenden zarten Härte spielt; und Kerry Washington, die aus dem Klischee des Muttertiers dessen kraftvolles Urbild herauspräpariert. Und keiner stiehlt ihnen die Schau.