Alles andere als gemütlich: Geschichte eines Missbrauchs auf mehreren Ebenen.
Es fragt sich, wer hier wen vorführt? My Talk With Florence von Paul Poet besteht aus zwei jeweils ungeschnittenen Einstellungen, deren Länge von der Länge der Aufnahmetapes vorgegeben ist. Im Verlauf dieser beiden Einstellungen erzählt Florence Burnier-Bauer aus dem Verlauf ihres Lebens. Hin und wieder stellt Poet im Off eine Frage oder hakt nach. Struktur gibt er dem ungeordneten, kreuz und quer durch die eigene Biografie springenden Redestrom Burnier-Bauers damit nicht. Es geht ja auch gar nicht darum, eine Chronologie herzustellen. Mal klingelt irgendwo in der Wohnung ein Telefon, dann hat einer im Hintergrund einen Hustenanfall. Das einzige, was formal passiert, sind leise Zooms und kleine Schwenks und die sorgen nun auch nicht gerade für visuelle Aufregung.
Man ist also mehr oder weniger allein mit dieser Frau, die da, eine schlimm zugerichtete Puppe im Arm haltend, in einem Lederfauteuil sitzt und erzählt. Schreckliches erzählt. Vom Missbrauch in der Kindheit, von Aufenthalten in psychiatrischen Anstalten, von der Flucht und vom Leben auf der Straße, von den Vorgängen in Otto Muehls Kommune Friedrichshof im Burgenland, wo die 1949 in Paris geborene Florence zusammen mit ihren drei unehelichen Kindern Anfang der achtziger Jahre landet. Dort werden ihr die Kinder entfremdet; ein Verlust, den sie nie verwindet, und in dessen Kontext ihre Erzählung auch gehört werden will.
Mit seinen 129 Minuten ist My Talk With Florence zwar gehörig zu lang, faszinierend ist dieser filmische Versuch, angesiedelt irgendwo zwischen der Aufzeichnung roher Wirklichkeit und dokumentarischer Fahrlässigkeit, dennoch. Weil die „Gesprächssituation“, deren Zeugen wir werden, uns mit reichlich unbequemen Fragen konfrontiert.
Burnier-Bauer mag mit ihrem zynischen Lachen, das zur Maske geworden ist, über die Tragödie ihres Leben hinwegtäuschen wollen, die fahrig zupfenden Bewegungen ihrer Finger aber verraten die Gegenwart von Schmerz. Es ist nicht zu übersehen, dass die Gewalt, die dieser Frau über Jahre angetan wurde, sie schwer beschädigt hat. Und also fragt sich: Liefert Poet Florence dem Publikum aus und missbraucht sie damit ein weiteres Mal? Oder manipuliert nicht vielmehr diese so unzuverlässige Erzählerin ihren Chronisten und täuscht an und vor, wo dieser Enthüllung und Aufklärung erhofft? Entscheiden läßt sich das nicht so ohne weiters. Es empfiehlt sich aber, auf der Hut zu bleiben.