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My Week with Marilyn

My Week with Marilyn

Lost in Showbusiness

| Jörg Schiffauer |

„My Week with Marilyn“ unterzieht die Ära des großen Schauspielerkinos einer liebevoll-kritischen Würdigung.

Zieht man die diesjährige Oscar-Verleihung als Stimmungsbarometer heran, dann lässt sich in Hollywood derzeit eine ziemlich große Sehnsucht nach vergangenen Zeiten verorten. Sowohl der große Sieger der Oscarnacht, Michel Hazanavicius’ The Artist mit seiner nostalgischen Rückschau auf die Ära des Stummfilms, als auch Martin Scorseses ebenfalls mehrfach prämierter Hugo – der, obwohl in modernster 3D-Technik gedreht, dem Filmpionier Georges Méliès huldigt – rücken weit zurückliegende Epochen der Filmgeschichte in den Mittelpunkt. Nun mag man angesichts des sich zurzeit rasant vollziehenden Übergangs zur digitalen Filmtechnik eine solche nostalgische Gefühlslage als in erster

Linie sentimentale Anwandlung interpretieren. Zieht man jedoch die Begeisterung, die insbesondere The Artist auszulösen vermochte, in Betracht, liegt doch die Vermutung nahe, dass angesichts des Overkills an CGI-Effekten, der mit der digitalen Technik einhergeht, eine Rückbesinnung auf analoge Zeiten und eine andere Art des Filmemachens nicht nur bloße Nostalgie ist. My Week with Marilyn kann durchaus als Beleg für eine solche These angesehen werden.

Ära der Schauspieler

Simon Curtis’ Film führt nämlich in die fünfziger Jahre, in jene glanzvolle Ära, als vor allem Schauspieler mit ihrem Star-Appeal als Zugpferde für Produktion und Vermarktung von Filmen fungierten. My Week with Marilyn rückt dabei die Dreharbeiten von 1956 zum Film The Prince and the Showgirl mit dem Aufeinandertreffen zweier Schauspielgrößen, die jedoch nicht unterschiedlicher hätten sein können, ins Zentrum des Geschehens.

Da ist einerseits Laurence Olivier (Kenneth Branagh), gefeierter Shakespeare-Darsteller, als Filmschauspieler ebenso erfolgreich und bereits Oscar-Preisträger, ein Mann, der schon 1956, im Alter von nicht einmal fünfzig Jahren, als Jahrhundert-Mime galt. Olivier hatte sich also in den Kopf gesetzt, mit der romantischen Komödie The Prince and the Showgirl, bei der er nicht nur eine Hauptrolle, sondern gleich auch die Regie übernahm, auch abseits klassischer, anspruchsvoller Stoffe einen Welterfolg zu landen. Olivier bestand darauf, mit Marilyn Monroe den Superstar der damaligen Zeit  zu engagieren, was den Erfolg garantieren sollte. Doch damit waren die Konflikte geradezu vorprogrammiert.

Der klassisch ausgebildete, durch seine Theaterarbeit an diszipliniertes Arbeiten gewöhnte Laurence Olivier war sich offenbar trotz aller Warnungen nicht im vollen Umfang bewusst, worauf er sich bei einer Zusammenarbeit mit Marilyn eingelassen hatte. Denn das Naturtalent Marilyn Monroe erfüllte zumindest auf den ersten Blick alle Klischees vom allürenbehafteten Superstar. Es ist ja sattsam bekannt, dass sie erst dann am Set erschien, wenn es ihre jeweilige persönliche Stimmungslage opportun erscheinen ließ, selbst wenn das gesamte Filmteam seit Stunden parat stand. Die Arbeit mit Marilyn wurde für Olivier zu einer Nervenprobe, die etwa Billy Wilder nach den Dreharbeiten zu Some Like It Hot in seiner gewohnt pointierten Art auf den Punkt brachte: „I have discussed this with my doctor and my psychi-atrist and they tell me I’m too old and too rich to go through this again.“

Doch Laurence Olivier sollte im Verlauf der Dreharbeiten auch bald erleben, worauf sich Marilyns Starstatus gründete: Wenn sie dann endlich bereit war, brachte sie mit ihrer Ausstrahlung und ihrem Charisma eine Präsenz in ihre Filme, die sich wie etwas Magisches auf der Leinwand entfaltete – eine einmalige Gabe, auf die schlussendlich kein Regisseur oder Produzent verzichten wollte (was übrigens auch Billy Wilder bereitwillig konzedierte).

My Week with Marilyn nimmt dabei eine Erzählperspektive ein, die über die Würdigung zweier großer Schauspielerpersönlichkeiten hinaus eine Reminiszenz an das Kino selbst darstellt. Denn der Film beruht auf den Erinnerungen von Colin Grant, einem filmbegeisterten jungen Mann, der sich mit seiner Hartnäckigkeit einen Job als dritter Regieassistent bei der Produktion von The Prince and the Showgirl zu verschaffen wusste. Damit ist zwar nicht viel mehr verbunden als die Arbeit als Laufbursche, aber weil Colin als Sohn eines renommierten Kunsthistorikers aus einer ziemlich angesehenen Familie stammt, fungierte er sehr bald als persönlicher Assistent von Laurence Olivier. Und weil der junge Mann sich in seinem Enthusiasmus und seiner beinahe naiven Unschuld von den abgebrühten Profis, die im Filmgeschäft am Werk sind, unterscheidet – und er zudem auch noch recht charmant ist – , wird er inmitten all des hektischen Treibens  am Set völlig unerwartet und zur eigenen Überraschung zu einem Vertrauten Marilyns. Ein Verhältnis, aus dem für eine kurze Zeit eine höchst ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem Superstar und dem kleinen Assistenten entsteht.

Mitten im Filmgeschäft

Mit dieser weitgehenden Fokussierung auf die Perspektive des jungen Assistenten wird diesem – und damit gleichsam dem Zuschauer – der Blick hinter die Kulissen der „großen“ Filmwelt verschafft. Der mag im Fall von My Week with Marilyn vielleicht ein wenig romantisiert erscheinen, doch dieser Blick verrät ganz offensichtlich die Sehnsucht nach einer Art des Filmemachens, dessen Höhen und Tiefen zumindest von Emotionen und persönlichen Leidenschaften der Protagonisten bestimmt war und sich – sowohl im Produktionsprozess, aber auch im Resultat – deutlich vom gegenwärtig überhandnehmenden technologisch hochgerüsteten Kino eines Michael Bay – um hier nur stellvertretend einen Kinotechnokraten moderner Prägung zu nennen – unterscheidet. Und My Week with Marilyn betont vor allem die Tradition eines Kinos, das in erster Linie von der Qualität seiner Schauspieler getragen wird.

Dass dem so ist, ist zu einem beträchtlichen Teil der Leistung von Michelle Williams (Interview) geschuldet. Mit der Darstellung einer Ikone der Popkultur wie Marilyn Monroe ging Williams ein nicht unbeträchtliches Risiko ein, weil mit kaum einer Figur so viele fest gefügte Bilder im kollektiven Gedächtnis verankert sind wie mit Marilyn. Doch Williams, die spätestens seit ihrer exzellenten Leistung in Blue Valentine zu den herausragenden Schauspielerinnen des US-amerikanischen Kinos zählt, schafft es von Beginn an, ihrer Rolle Glaubwürdigkeit und Authentizität zu verleihen, ohne sich dabei bloß in Äußerlichkeiten oder nachgeahmten Posen zu verlieren. Williams versteht es dabei, Marilyn Monroe als komplexe Persönlichkeit zwischen Selbstzweifeln und Ängsten aber auch mit raffiniertem Kalkül agierend, darzustellen. Und diese Frau, immer auch ein wenig auf der Suche nach sich selbst, sah sich zunehmend dem enormen Druck, den die Unterhaltungsindustrie auf ihre besten Kräfte ausübt, ausgesetzt. Da erscheinen – und Michelle Williams’ einfühlsame Darstellung macht das mehr als nachvollziehbar – ihre Manierismen plötzlich nicht mehr als Ausdruck arrogant-überheblichen Starverhaltens, sondern vielmehr als eine Form von Hilfeschrei einer zutiefst verunsicherten Schauspielerin, die im Versuch, eine genuine Arbeit abzuliefern, nicht einfach auf Knopfdruck funktionieren kann und will. Die dabei jedoch – abgesehen von ihrem temporären Vertrauten Colin Clark – von ihrer Entourage keine andere Unterstützung erfährt, als ihr Drogen aller Art zuzustecken, die eben dieses Funktionieren garantieren sollen. Hier verliert Simon Curtis’ Inszenierung auch ihre ansonsten dominierende nostalgisch-melancholische Grundstimmung und lässt die tragische Wendung, die Marilyn Monroes Leben nur wenige Jahre später erfahren solllte, mehr als nur erahnen.

Ein Film, der auch als Hommage an großes Schauspielerkino fungieren soll, kann klarerweise nur mit einem entsprechenden Ensemble funktionieren, und My Week with Marilyn ist da mit Kalibern wie Judi Dench, Julia Ormond, Derek Jacobi und Toby Jones bestens versorgt. Michelle Williams ragt dabei noch dermaßen heraus, dass selbst Kenneth Branagh, der aufgrund seiner Vita als Theater-, Film- und Shakespeare-Schauspieler natürlich geradezu prädestiniert für die Rolle des Laurence Olivier ist, einige Mühe hat, daneben zu bestehen. Auch das jedoch ist vor allem als Kompliment für Williams’ Leistung aufzufassen. Die Frage nach der historischen Akkuratesse von Colin Clarks Erinnerungen kann man angesichts des nostalgischen Charmes, den Simon Curtis’ Film zu generieren versteht, durchaus vernachlässigen.

The Prince and the Showgirl wurde übrigens kein Erfolg – dem Renommee von Marilyn Monroe und Sir Laurence Olivier hat dies, wie wir wissen, natürlich kein bisschen geschadet.