Szenen einer Trennung
Wenn uns das Kino etwas über Scheidungsdramen gelehrt hat, dann, dass es am härtesten immer die Kinder trifft. So auch in Xavier Legrands beachtlichem Regiedebüt, für das der französische Regisseur im vergangenen Jahr in Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet wurde. Dabei fängt alles, wie so oft, noch relativ harmlos an: Eine Trennung steht ins Haus, und man sieht sich vor dem Familienrichter wieder, um über das Wohl der Sprösslinge zu entscheiden. Der Ehemann, Antoine Besson (Dénis Menochet), beharrt eindringlich auf das gemeinsame Sorgerecht für den zehnjährigen Julien (Thomas Gioria), zumal die gemeinsame Tochter Joséphine (Mathilde Auneveux) bereits fast volljährig ist und daher über ihre weitere Beziehung zum Vater selbst entscheiden kann.
Doch von der Gegenseite werden Anschuldigungen von Handgreiflichkeiten und Gewaltandrohungen gegenüber Mutter und Kindern laut, und die verschreckte Angst im Blick von Antoines Noch-Ehefrau Miriam (Léa Drucker) deutet darauf hin, dass diese nicht ganz unberechtigt sind. Dennoch wird Antoine ein regelmäßiger Umgang mit Julien zugesprochen, und so nimmt das Übel unvermeidlich seinen Lauf. Zunächst beschränkt sich der zutiefst in seiner Ehre gekränkte Vater noch darauf, seinen widerspenstigen Sohn in die Schranken zu weisen, ihn zu manipulieren, zu verhören und zu triezen, um sich dadurch wieder in die unmittelbare Nähe der Familie zu pressen. Und auch Miriam versucht, die sich zuspitzende Situation mit Engelsgeduld und der nötigen Vorsicht im Zaum zu halten. Doch irgendwann brennen bei Antoine endgültig alle Sicherungen durch, und Gnade dem, der dann nicht in Sicherheit ist.
Wem das als Handlungsschema zu berechenbar erscheint, dem sei ans Herz gelegt: Legrands Erstling erfindet zwar das Rad nicht neu, überzeugt aber durch kluge Konfliktsetzung, behutsames Timing und die exzellente schauspielerische Leistung seiner Hauptdarsteller. Vor allem der letzte Akt dieser von Unsicherheiten und Ambivalenzen genährten Familientragödie ist mitunter so bestürzend, dass einem der Atem zu stocken droht. Dennoch erwehrt sich der Film angesichts seiner feinen Charakterbildung erfolgreich jedes Verdachts der Übertreibung oder Unglaubwürdigkeit. Denn machen wir uns nichts vor: Ist die Ehe erst einmal gescheitert, greifen andere Gesetze und gelten neue zwischenmenschliche Bedingungen. Um das mögliche und bisweilen undenkbare Ausmaß zu begreifen, muss man sich wahrlich nicht im Kino aufklären lassen, aber Legrands Film ist in seiner Nachdrücklichkeit so bezwingend, dass man anschließend mit wacheren Augen durch die Welt geht – und das ist doch auch schon etwas.