Watanabe kann nicht loslassen: Verfilmung des Romans von Murakami Haruki
Toru Watanabe (Matsuyma Keni’chi) lebt in einem Studentenwohnheim in Tokyo. Vor dem Hintergrund der weltweiten Studentenunruhen der späten Sechziger Jahre gerät auch die Gefühlswelt des jungen, introvertierten Studenten durcheinander. Als er seine frühere Freundin Naoko (Kikuchi Rinko) zufällig wieder trifft, holt ihn die Erinnerung an ihre Vergangenheit ein. Der Selbstmord ihres gemeinsamen Freundes Kizuki hat die beiden damals verstört und Naoko niemals losgelassen. Bei langen Spaziergängen durch die Stadt verspüren beide eine innige Verbundenheit, die am Abend von Naokos 20. Geburtstag in eine Liebesnacht mündet. Unerwartet lässt Naoko danach den verliebten Watanabe zurück, um sich in einer abgelegenen Klinik in den Bergen einer psychologischen Behandlung zu unterziehen. Watanabe besucht sie dort und hält an ihrer Liebe fest, doch Naoko kann sich Watanabe gegenüber nicht mehr öffnen. Als er in Tokyo die aufgeschlossene und lebenslustige Midori (Mizuhara Kiko) trifft, scheint der Moment gekommen, sich zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu entscheiden. Basierend auf Murakami Harukis gleichnamigem Bestsellerroman, hat der in Frankreich lebende vietnamesische Regisseur Tran Anh Hung (Der Duft der grünen Papaya) mit Naokos Lächeln versucht, die Gefühlswelt seiner Protagonisten in Bilder umzusetzen. Das fast bedingungslose Festhalten Watanabes an der Liebe zu Naoko, seine Loyalität und Beharrlichkeit sind stärker als sein stilles Leiden und stehen in Kontrast zu dem bewegten Studentenleben, das ihn umgibt. Erst Midori mit ihrer charmantdraufgängerischen Art gelingt es, Watanabe aufzurütteln.
Mit schönen Details ausgestattet, zeigt Tran Anh Hung das Leben im Tokyo der Sechziger Jahre, um es mit schroffen Bildern der einsamen Berg- und Waldlandschaft der Umgebung von Naokos Sanatorium in Kontrast zu setzen. Die Innenschau der Gefühlswelt Watanabes gelingt ihm, die Darstellung von Naokos Leiden gerät dagegen exaltiert und zuweilen plakativ. So steht sie barfuß im Schnee, als sie Watanabe erklärt, dass sie frigide sei. Die Vielschichtigkeit der Vorlage Murakamis vermag der Film nicht umzusetzen. Er bleibt bei aller Bildhaftigkeit und Subtilität oberflächlich. Vielleicht liegt es daran, dass dem jungen Mann zwischen zwei Frauen zu wenig Stimme verliehen wird. Der japanische Originaltitel des Romans lautet übersetzt „Norwegian Wood“, nach dem Beatles-Song, der auch im Film eine Rolle spielt. Die Liedzeile „I once had a girl, or should I say, she once had me?“ bringt seinen Konflikt präziser auf den Punkt als der Film.