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Neue Stimmen in Cannes

Neue Stimmen in Cannes

| Anja-Lene Melchert |

Auch das Nebenprogramm hat dieses Jahr viel zu bieten.

Neben den prestigeträchtigen Kategorien wie Wettbewerb, Un certain regard und Filme außerhalb des Wettbewerbs (Hors Competition) legt das Festival de Cannes auch besonderes Augenmerk darauf, junge Talente zu fördern und ihren Bekanntheitsgrad in der Filmwelt zu erhöhen sowie Werke, die durch ihre Andersartigkeit bestechen, in den Vordergrund zu stellen. Deshalb wurden unter anderem 1963 die Sémaine de la Critique und 1969 die Quinzaine des Réalisateurs ins Leben gerufen. Auch 2016 werden in diesen beiden Kategorien wieder neue und spannende Werke junger, aber auch etablierter Regisseure gezeigt.

In der Sémaine de la Critique, die schon Filme wie Me and You and Everyone We Know von Miranda July (die damit den Schritt von der Performance-Künstlerin zur Spielfilmregisseurin schaffte), Take Shelter von Jeff Nichols oder As Tears Go By von Wong Kar-wai präsentiert hat, werden dieses Jahr zehn Filme in Spielfilmlänge (sieben davon im Wettbewerb) plus zehn kurze und mittellange Filme gezeigt. Diese Erst- und Zweitfilme junger Regisseure wurden von einer Jury ausgewählt, die am Ende der Woche auch die gut dotierten drei Hauptpreise – den Nespresso Grand Prix (15.000 Euro), den France 4 Visionary Award (4.000 Euro) und den Leica Cine Discovery Prize for Short Films (4.000 Euro) – vergibt.

Zu den Favoriten zählen Werke wie etwa Albüm von Mehmet Can Mertoglu, eine türkisch-französisch-rumänische Koproduktion über werdende Adoptiveltern, die sich mit allerlei bürokratischen Hürden konfrontiert sehen, oder Diamond Island, Davy Chous erster Langfilm. Chou erzählt die Geschichte eines 18-Jährigen, der sein Dorf verlässt, um beim Prestigeprojekt Kambodschas, der so genannten „Diamond Island“, einen Job als Arbeiter anzunehmen. Dort lernt er eine ganz neue Welt kennen, findet neue Freunde und seinen seit drei Jahren vermisst geglaubten Bruder wieder.

Die Quinzaine des Réalisateurs unterstützt ebenfalls neue Talente, aber definiert diesen Begriff wesentlich weiter. Hier werden sowohl junge Regisseure, als auch neue Facetten bekannter Regisseure sowie einfach „anderes“ und innovatives Kino gezeigt. Diese Kategorie ist die offenste des Festivals, und auch dieses Jahr bringt sie wieder eine Mischung aus bekannten und unbekannten Filmemachern. Besondere Erwartungen weckt natürlich Paul Schraders Dog Eat Dog mit den Oscar-Gewinnern Nicolas Cage und Willem Dafoe sowie Schrader selbst in den Hauptrollen. Drei Ex-Gefangene bekommen nach ihrer Freilassung gleich den nächsten kriminellen Job angeboten: Sie sollen für einen Mafia-Boss die Tochter eines Rivalen entführen. Doch im Lauf des scheinbar einfachen Auftrags begehen sie einen Mord und müssen jetzt vor dem Staat und der Mafia fliehen. Ob nun Schrader oder doch einer der anderen exzellenten Filme das Rennen um einen der vier Preise der Quinzaine macht, bleibt bis zum 21. Mai noch offen. Die Filme der Quinzaine werden inzwischen übrigens nicht nur in Cannes, sondern anschließend an das Festival unter anderem in Mailand, Paris, Brüssel, Rom oder Marseille gezeigt.