Comic-Revival im Sommer: Tom Sturridge wacht in „The Sandman“ über die Träumenden und kennt alle Tragödien, Komödien sowie Krimis der Nacht. Ganz anders „super“: „She-Hulk“ und „Samaritan“
The Chordettes, Metallica und Ed Sheeran widmeten ihm ein Lied und E. T. A. Hoffmann sowie Hans Christian Andersen schrieben über ihn – die Idee dazu ist ihnen möglicherweise auch im Traum gekommen. Die Rede ist vom Schlummerkörner verstreuenden König: dem Sandmann. Nichts weiter als ein Märchen? Zumindest für die Privatdetektivin Johanna Constantine, gespielt von der aus Doctor Who bekannten Jenna Coleman, sehr wohl. Fans von Keanu Reeves kennen ihre Figur aus Constantine, dort in der ursprünglichen, männlichen Version John genannt. Von ihr möchte Lord Morpheus, auch Dream genannt, seinen Sand zurück – eines von drei Werkzeugen, die ihm während seiner Gefangenschaft von den Menschen gestohlen wurden und ihm die nötige Macht verleihen, um wieder herrschen zu können. Die Serie kommt nur langsam in die Gänge, doch von Beginn an sorgen die flotten Sprüche, speziell jene von Colemans Constantine, für den nötigen Pep.
Von „unverfilmbar“ zum Top-Ten-Hit
Die in den Neunzigern erschienene Graphic-Novel-Sammlung galt lange als unverfilmbar. Geschrieben hat sie der britische Autor (u. a. auch „American Gods“) Neil Gaiman, der nun auch maßgeblich und erfolgsgekrönt an der Produktion beteiligt war. Als Kinofilm ist das Projekt gescheitert, als Serie gehört The Sandman aktuell zu den meistgesehenen bei Netflix. Und Stoff für weitere Folgen gibt es genug. Wie etwa ein Wiedersehen mit Luzifer Morgenstern, nicht zu verwechseln mit dem Hauptwidersacher der Greendale-Hexe aus Chilling Adventures of Sabrina. Was sie aber gemein haben: Sie fordern eine Revanche. Die Rolle übernahm die Game-of-Thrones-Berühmtheit Gwendoline Christie, im Kampf gegen Dream stellt sie das Dunkle am Ende von allem dar. Doch der Traumkönig hat die passende Antwort parat und gewinnt sein zweites Werkzeug, einen Knochen-Helm, sowie seine Freiheit zurück.
Blass, dürr und muffelig, so lässt sich Lord Morpheus, gespielt von Tom Sturridge, beschreiben. Gemeinsam mit seinem Raben Matthew, auch aufgrund des Voice-Actings von Patton Oswalt (viele kennen seine Stimme als jene der Ratatouille-Ratte) eines der Highlights der Serie, trifft er nicht nur auf götterähnliche Welten, sondern auch auf Charaktere, die in der Vergangenheit verletzt und verstoßen wurden, wie zum Beispiel John Dee. Vom Vater abgelehnt, von der Mutter belogen, bricht dieser aus der psychiatrischen Klinik aus, um die Welt vor der Macht der Lügen zu retten. Dafür nutzt er einen Rubin, das dritte Werkzeug des Traumkönigs, zerstört diesen aber im Streit und setzt seine Macht frei. Fortan kann der Sandmann über sein Traumreich wieder herrschen. Auch die junge Rose Walker steht dem Sandmann im Weg, ein Waisenkind, das seinen Bruder sucht und ihn auf einer Messe für Serienmörder wieder findet. Sie ist ein „Traumwirbel“, erschaffen von Dreams Schwester Desire hat sie die Macht, das ganze Universum zu vernichten. Trotz all dieser Düsternis: Am Ende wird Dream einfach pappsüß, wie man es vom Sandmännchen eben kennt.
Weitere Comic-Neuheiten
Vom Traumreich in die Granit-Stadt. Viele Menschen warten fast ein ganzes Leben auf diesen einen Moment, der vieles zum Positiven wendet. Dass es möglich ist, zeigt uns auch Sylvester Stallone im abgehalfterten Granite City. Im Amazon-Film Samaritan verkörpert er den Müllmann Joe, der dem Nachbarsjungen Sam aus der Patsche hilft. Der 13-Jährige kann es nicht glauben: So mächtig kann doch nur der verschollene Superheld Samaritan sein. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Vor 25 Jahren kämpften die Zwillingsbrüder Samaritan und Nemesis gegeneinander, der eine wollte die Welt besser machen, der andere wollte sich an ihr rächen. Nur einer überlebte und das war nicht, wie alle glaubten, Samaritan, sondern der Bösewicht. Genau, was eine ohnehin von Verbrechern bedrohte Stadt nicht braucht. Doch Stallone wäre im falschen Film, wenn er sie nicht retten würde. Und nicht Sätze zum Besten gibt wie: „Gut und Böse leben im Herzen eines jeden Menschen. Und es liegt an dir, die richtige Wahl zu treffen.“
„Zitierst du gerade einen Comic oder so?“, würde Jennifer Walters (dargestellt von Tatiana Maslany) aus der Disney+ Serie She-Hulk wohl darauf antworten. In diesem grünen Revival bekommt Bruce Banner / Mark Ruffalo Unterstützung von seiner Cousine, und er darf den Lehrer spielen. Es wird gebrüllt, gekämpft und viel getrunken. Die Power-Anwältin findet sich in ihrem neuen Job als Superheldenrechtsexpertin gut zurecht. Oder doch nicht? Denn einen Haken gibt es: Als Hulk zieht sie doch einige Blicke auf sich. Wer es da doch lieber mit dem Sandman hält, darf sich übrigens schon über zwei Bonus-Folgen freuen. Die haben inhaltlich jedoch scheinbar herzlich wenig mit der Staffel zu tun. Mit animierten Katzen, ideenlosen Schriftstellern und Musen ein wenig mehr. Sodass man den Eindruck gewinnt: Das war ja ziemlich weit weg von der Storyline. Oder war das alles nur geträumt?