Seit wenigen Monaten leitet Philipp Fleischmann die von Friedl Kubelka gegründete Schule für unabhängigen Film Wien. Ein Gespräch, in dem auch die Gründerin, wiewohl abwesend, zu Wort kommt.
Es war im Jahre 1990, als die fast schon legendäre Fotografin und Filmemacherin Friedl Kubelka, damals noch in der Gartengasse in Wien-Margareten, ihre Schule für künstlerische Fotografie gründete: „Ich wollte eine Fotoschule gründen, in die ich selbst gerne gegangen wäre.“ Die Unzufriedenheit mit bestehenden bzw. gar nicht existierenden Institutionen war es, die sie dazu bewog. Sie selbst hatte die „Graphische“ besucht, aber festgestellt, dass „da lauter brave Berufsfotografen herauskommen sollten, die nur das machen, was die Gesellschaft will. Und ja nichts anderes.“ 2006, nach dem sie (als Friedl vom Gröller) ihre filmische Tätigkeit wieder aufgenommen hatte, beschloss sie, eine solche Schule auch für Film zu etablieren.
Friedl Kubelka kommt hier zu Wort, weil Philipp Fleischmann, der vor kurzem die Leitung der Schule übernommen hat – die Fotografie-Schule leitet Anja Manfredi – im Sommer 2014 ein langes Gespräch mit ihr geführt hat, in dem vieles thematisiert wird, was Kubelka (und auch ihrem Nachfolger) wichtig ist.
Das beginnt schon beim Namen der Schule und der Betonung des Wortes „unabhängig“: „Es geht nicht so sehr um künstlerischen Film, auch nicht um Avantgarde, und auch nicht um den experimentellen Film“, stellt Philipp Fleischmann klar. „Im Zentrum steht die Tatsache, dass man nach der Ausbildung bei uns unabhängig – das heißt allein, ohne Institution, ohne Zwang – Filme machen kann, und zwar genau die Filme, die man machen will.“
Die Ausbildung dauert von Oktober bis Ende März und steht grundsätzlich jedem Mann und jeder Frau ab 19 Jahren offen. Wer sich an der Schule für unabhängigen Film Wien bewirbt und – nach einem ausführlichen Gespräch – aufgenommen wird, bekommt zunächst (vor allem) eine profunde handwerkliche Ausbildung, und zwar ausschließlich im analogen Film. Diese reicht von der Idee über das Projektstadium, den Dreh und die (chemische) Entwicklung bis hin zu einer möglichen Veröffentlichung des Film. Vorkenntnisse spielen keine wichtige Rolle: „Wir holen alle da ab, wo sie jeweils gerade stehen und beginnen sofort, analoge Filme auf Super 8 und 16mm zu drehen. Durch das unmittelbare Tun eignen sie sich ein technisch fundiertes Grundwissen an“, sagt Fleischmann.
Aber natürlich kommt auch die theoretische und konzeptionelle Auseinandersetzung mit dem Bewegtbild nicht zu kurz – im Gegenteil. Kernstück des Unterrichts sind die Workshops mit prominenten Filmemacherinnen und -machern, die ihr theoretisches und praktisches Wissen an die Studierenden (heuer sind es 13) weitergeben. Auch in diesem Studienjahr konnte Fleischmann große Namen gewinnen, die mit den Studentinnen und Studenten diskutieren und arbeiten: Den Anfang machte Helga Fanderl, eine deutsche Künstlerin, die radikal und ausschließlich mit Super 8 arbeitet. Mara Mattuschka, Friedl vom Gröller, Axel Ranisch (Ich fühl mich Disco) sowie Tizza Covi und Rainer Frimmel stehen ebenfalls zur Verfügung. Dazu kommen noch Einzelvorträge, u.a. von Robert Beavers, Hans Scheugl und Antoi-
nette Zwirchmayr, die selbst die Schule absolviert hat.
Dieser Tage war Sasha Pirker zu Gast, die in den letzten Jahren vor allem mit anspruchsvollen Architekturporträts Aufmerksamkeit erregte und mehrfach bei der Viennale, der Diagonale und auch international vertreten war. Schon bei ihrem Einführungsvortrag stieß sie auf viel Resonanz. Es ist bezeichnend, dass sie in einem ihrer neueren Filme, Closed Circuit 2013, auf 16mm die Entstehung eines Polaroid-Fotos dokumentiert, also zwei analoge Medien verwendet, denen keine große Zukunft mehr vorausgesagt wird. Sie selbst sei von der Beschäftigung mit dem Digitalen erst in jüngster Zeit zum Analogen gekommen, sagt Pirker und vollzieht damit eine Bewegung, die weltweit immer häufiger zu beobachten ist: dass künstlerisch tätige Menschen sich allmählich wieder dem haptischen und sinnlichen Reiz des analogen Materials zuwenden. Stichwort Viennale: 2011 widmete das Festival der Schule für unabhängigen Film ein Spezialprogramm – eine der eher raren Gelegenheiten, die Arbeit der Studierenden in größerem Rahmen sehen zu können.
Philipp Fleischmann, Absolvent beider Kubelka-Schulen, war mit seinem aktuellen Film Main Hall, den er mit Hilfe von 19 eigens konstruierten Kameravorrichtungen im Hauptraum der Secession aufnahm, unter anderem 2013 in der renommierten Wavelengths-Reihe des Toronto Film Festivals und heuer beim Forum Expanded der Berlinale und beim Ann Arbor Film Festival vertreten. Er hatte sich ursprünglich an der Filmakademie beworben, wurde aber nicht aufgenommen – „zum Glück“, wie er sagt, „denn ich hatte schon geahnt, dass dieser Apparat mit dem, was ich mir unter künstlerischer Arbeit vorstelle, nicht kompatibel sein würde.“ Die interessante Frage, wovon denn ein „Filmkünstler“ eigentlich lebe, werde den anwesenden Gästen von den Studierenden oft gestellt: „Das lässt sich so generell nicht sagen. Da gibt es die unterschiedlichsten Ansätze und Einstellungen. Manche haben einen Brotberuf, manche halten sich irgendwie über Wasser, manche leben ganz gut davon.“ Und was kann man tun, nachdem man die Schule für unabhängigen Film abgeschlossen hat? „Manche besuchen doch die Filmakademie, manche gehen auf die Akademie der Bildenden Künste, manche integrieren ihre Filmleidenschaft einfach in ihr Alltagsleben, ohne das Filmen zu ihrem Beruf zu machen. Das muss jede und jeder für sich selbst entscheiden. Den Mut, eigenständig und unabhängig zu arbeiten, haben sie jedoch hoffentlich von uns mitgenommen.“
Wie sieht es mit dem leidigen Thema Finanzen aus? „Wir wollen kein Schulgeld in einer Höhe verlangen, die die Schule für die Teilnehmer völlig uninteressant macht. 3.000 bis 4.000 Euro, wie das wahrscheinlich nötig wäre, das ist undenkbar. Derzeit verlangen wir 1.200 Euro, ich denke, das ist potenziell leistbar und auch vertretbar. Und jede und jeder bezahlt das Gleiche, das ist für alle nachvollziehbar. Das ist der Grund, warum es keine Stipendienplätze gibt. Das würde ein Ungleichgewicht in die Gruppe bringen, das nicht gut wäre.“ Für die Zukunft kann Philipp Fleischmann jedenfalls Positives vermelden: „Wir haben eine Zusage des Österreichischen Filminstituts für das kommende Jahr, was uns sehr freut, da wir dadurch auf jeden Fall auch im Oktober 2015 ein Schuljahr starten können. Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um – mit wirklich geringsten Mitteln – dieses spezifische und einzigartige Angebot in der Filmausbildung weiterhin in Wien anbieten zu können. Der analoge Film wird nicht so schnell verschwinden! Und ich hoffe auch nicht eine weltweit in dieser Form einzigartige Ausbildungsmöglichkeit, die sich diesem künstlerischem Medium verschrieben hat.“ Damit wäre auch gesichert, was die Gründerin in besagtem Interview so unnachahmlich leidenschaftlich formuliert hat: „Ich würde mir wünschen: alles gegen die Anpassung, alles gegen die Regeln. Diese Haltung sollte aufrecht bleiben, sodass die Leute, die die Schule besuchen, nicht das Gefühl haben, sie müssen sich anpassen. Sie sollen das Gefühl haben, sie können machen, was sie wollen. Auch wenn es gerade überhaupt nicht modern ist.“