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Österreich – Ein Themenschwerpunkt

Zaubern mit geringen Mitteln

| Ute Mörtl |
Katharina Wöppermann ist eine renommierte Szenenbildnerin vieler österreichischer und internationaler Filme. Im Gespräch gibt sie Einblicke in ihre Arbeit.

Katharina Wöppermann, geboren 1962, ist seit den achtziger Jahren als Szenenbildnerin aktiv und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. 2012 bei der Diagonale für das Beste Kostümbild im Spielfilm Stillleben von Sebastian Meise, 2011 mit dem Österreichischen Filmpreis für Beste Ausstattung in Shirin Neshats Women Without Men. 2004 erhielt sie bei den Internationalen Hofer Filmtagen den Szenografie-Preis für das Szenenbild von Götz Spielmanns Antares. Neben der Arbeit an zahlreichen österreichischen Filmen wie Tempo, Nordrand, Fallen, Klimt oder Immer nie am Meer war sie auch immer wieder international tätig, vor allem in Deutschland.

Bezeichnen Sie sich eher als Produktionsdesignerin oder als Szenenbildnerin?
Das kommt auf die Zusammensetzung des Filmteams an. Der gängigste deutsche Begriff ist Szenenbildnerin. Das Szenenbild umfasst neben der Ausstattung auch die Filmarchitektur, also die Bauten. In europäischen Filmteams wird meine Arbeit hingegen als Produktionsdesign bezeichnet.

Schon anhand der Semantik ist ersichtlich, dass sich Ihr Beruf stets wandelt.
Das ist richtig. In Europa trennen wir zum Beispiel nach wie vor Ausstattung von Bauten. Der Terminus „Bauten“ wird heutzutage aber nur mehr selten im Abspann eigens angeführt. Unter dem altmodischen Begriff Ausstattung ist nicht – wie viele glauben – das Kostümbild gemeint, sondern eher die Arbeit der Requisiteure und Setdekorateure.

Warum wird man Szenenbildnerin?
Ich habe mich früh für das Studium des Bühnenbildes an der Akadamie entschieden. Ich hegte stets ein großes Interesse für Kultur, Malen, Zeichnen, Theater sowie für Literatur. Handwerkliches und Technik habe ich nie gescheut. Mit 21 Jahren lernte ich zufällig Studenten der Filmakademie München kennen, die kurz vor der Umsetzung eines Filmprojektes standen. Ich habe via Brief um ein Praktikum angesucht und wurde prompt gefragt, ob ich die Ausstattung übernehmen möchte. Das war ein Sprung ins kalte Wasser. Aus diesem Team hat sich nach und nach eine hochkarätige Gruppe entwickelt, wodurch ich weitere Projekte realisieren konnte. Da war natürlich auch sehr viel Glück dabei.

Was folgte nach dem Münchner Filmprojekt?
Mit 26 habe ich zum Beispiel beim Südwestfunk in Baden-Baden in einer Firmenstruktur gearbeitet. Da haben alteingesessene Baubühnen-Mitarbeiter schon mal zu mir gesagt: „Jetzt trinken wir zuerst einmal einen Kaffee, und dann schauen wir, was das junge Mädel will.“ Selbstbehauptung musste ich schnell lernen. Ich grämte mich damals oft. Wenn man älter wird, wird einem aber mehr geglaubt. Es war mir immer wichtig, mich auf keinen Fall zu verbiegen.

Wäre das Münchner Studentenprojekt nicht gewesen, wären Sie dann Bühnenbildnerin geworden?
Ich denke schon. Aber das erste zufällige Projekt beim Film war für mich wegweisend. Ich habe dann immer wieder für mich überprüfen können, ob die Arbeit am Theater nicht doch besser gewesen wäre.

Wie lautet Ihre Conclusio?
Was ich sehr an der filmischen Arbeit schätze, ist, dass ich in die Welt hinaus komme. Und obwohl ich das Theater seit meiner Jugend liebe, ist auf der Bühne ein großer Erfolg seltener als im Filmbereich.

Warum ist der Erfolg auf der Bühne nicht so einfach wie beim Film?
Das hat mit dem Medium zu tun. Durch Film kann man die Zuseher emotional besser erreichen. Es gibt mehr Spielraum für Manipulation und Spannung. Im Theater fallen die Möglichkeiten der Dynamik wie durch Schnitte oder Zoom weg. Ich bewundere es umso mehr, wenn mich ein Theaterstück stark mitreißt.

Apropos Manipulation. Inwieweit beeinflussen Sie zu Beginn schon den Stil eines Films mit?
Um in den ersten Besprechungen den optischen Stil einzukreisen, erstelle ich Moodboards. Ich taste mich durch Recherchen mittels Foto-Collagen an die Stimmungen des Films heran. Begegnen sich Bilder, wirken sie aufeinander. So entsteht assoziativ eine grobe Stilrichtung. Das Moodboard dient als künstlerische Basis, um stimmungsbezogene Entscheidungen treffen zu können. Für die Struktur des Films, also die Auflösung, werden von vielen Regisseuren Storyboards angefertigt. Jessica Hausner, mit der ich schon oft zusammengearbeitet habe, visualisiert gesamte Drehbücher mit Storyboards.

Was ist der größte Kick bei Ihrer Arbeit?
Die sogenannte Abnahme ist für mich der schönste und zugleich furchtbarste Moment. Da kommen Regie, Beleuchtung und Kamera ans Set. Manchmal gibt es noch kleine Änderungswünsche. Wenn dann aber alles wieder auseinandergerückt wird, um die optimale Kameraposition zu finden, verlasse ich gerne das Set. Das finde ich furchtbar, obwohl ich weiß, dass es sein muss.

Darf man als Szenenbildnerin einen eigenen Stil entwickeln?
Sicher gibt es Vorlieben für Farben oder Arrangements. Kollegen von der Baubühne sprechen hin und wieder von einem typischen „Katharina-Blau“. Prinzipiell ist es gut, als Szenenbildnerin ein breites Repertoire zu haben. Eine Handschrift entwickelt sich zumeist automatisch.

Der aktuellste Film, für dessen Szenenbild Sie verantwortlich waren, ist Amour Fou. Welche Innenaufnahmen wurden im Studio gedreht?
Die Wohnung der Familie Vogel wie auch der rote Marmor-Salon der Tante Masow waren Studio-Bauten. Aufgrund der Bedürfnisse der Auflösung, Bildkomposition und Kamera-Perspektive ist ein merkwürdiger Grundriss entstanden. Letzten Endes kam aus Platzgründen die Idee des Wandschranks auf.

Was ist generell teurer, ein Dreh on location oder im Studio?
Für Florian Flickers Film Grenzgänger etwa musste der Finanzplan vollends umstrukturiert werden. Angesichts der permanenten Überschwemmungsgefahr im Auwald war die Auswahl an Häusern nicht sonderlich groß. Deswegen haben wir letztendlich auf der grünen Wiese ein Außen- und Innenstudio errichtet. Das ist eine Seltenheit. Denn sobald ein Raum im Studio nachgebildet wird, ist das teurer als die Räume on location zu adaptieren.

Darf oder soll das Szenenbild stark sichtbar sein?
Das Szenenbild soll der Zuseher nie als zu vordergründig wahrnehmen. Und doch ist das Szenenbild bei Amour Fou zum Beispiel sehr präsent. Das war von Jessica Hausner so gewünscht. Sie wollte zeigen, dass zu Kleists Zeit nicht alles dezent und lieblich gestaltet war, sondern mitunter progressiv. Mutige Farben überwogen damals.

Ihre Recherchen für Amour Fou waren sicher aufwändig.
Das Recherchieren der Requisiten und der Möbel war sehr abenteuerlich. Je älter die Gegenstände, umso schwieriger können sie organisiert werden. Womit jeder Szenenbildner leben muss: Was im Endprodukt unscharf gezeigt wird, weiß man nie. Jessica Hausner war bei Amour Fou sehr genau und hat selbst mit der Regieassistenz herausgefunden, was in Preußen zu Kleists Zeit serviert wurde.

Wie groß war Ihr Team beim Dreh?
Wir haben in drei verschiedenen Ländern gedreht. Mein fixes Team bestand aus Johannes Slapa, dem Außenrequisiteur, und Hansi Wagner, dem Set-Dekorateur. In Berlin und Luxemburg gab es zusätzliche Assistenten. In Berlin hatten wir einen zweiten Requisiteur. Johannes Slapa hat als Außenrequisiteur in Absprache mit mir die gesamte Logistik für Ausstattung und Bauten geplant und vor Ort betreut. Der Aufwand war enorm. Für das Studio in Luxemburg mussten Requisiten und Möbel aus Prag, München, Paris, Berlin und Wien beschafft werden.

Was ist für Sie am wichtigsten, wenn Sie im Team arbeiten?
Engagement.

Werden Szenenbildner am Set unterschätzt?
Das Standing eines Szenenbildners im Team und in der Szene ist abhängig von der Persönlichkeit des Szenenbildners und davon, wie wichtig der Regie das gestalterische Moment ist. Beim Vertreten des Standpunktes sind psychologisches Geschick und Feingefühl erforderlich, um Vorstellungen durchzusetzen, ohne Regie und Kamera zu übergehen. Das bedeutet keinesfalls, sich permanent zurückzunehmen. Es kommt oft auf den richtigen Zeitpunkt für einen Vorschlag an.

Treffen Sie Entscheidungen mitunter auch gern alleine?
Jede kleine Entscheidung addiert sich in meiner Arbeit zum Gesamtbild. Da ich nicht dauernd mit einem fixen Partner zusammenarbeite, wie zum Beispiel mit Kameramann Martin Gschlacht, treffe ich Randentscheidungen oft alleine. Große Überlegungen bespreche ich immer mit der Regie.

Sind Sie generell die Erste am Set und die Letzte, die es verlässt?
Ich bin während des Andrehens eines neuen Motivs am Drehort. Das ist wichtig, um zu sehen, ob sich eine Änderung ergeben hat oder ob für das Szenenbild noch etwas gebraucht wird. Wenn sich im Laufe eines Drehtages Perspektiven spontan verändern, betrifft das auch die Ausstattung. In dem Fall werden dann Möbel oder Bilder hin- und herbewegt. Das bekommt alles der Innenrequisiteur mit, der am Set bleibt, bis abgedreht ist.

Wie war die Arbeit am Set in der analogen Ära?
Da muss ich gar nicht an meine Anfänge in den Achtzigern zurückblicken. Erst seit einigen Jahren arbeiten Filmteams durchgängig digital. Der erste digitale Film, den ich mit Jessica Hausner und Martin Gschlacht machte, war Lourdes. In der analogen Ära musste man als Szenenbildner noch darauf warten, bis ein Musterergebnis da war, bevor man ein Motiv abbauen durfte.

Haben Sie ein aktuelles Projekt?
Derzeit beginnt für mich die ruhigere Recherchephase, wie fast jeden Winter. Darauf freue ich mich schon sehr. Ich hoffe, ich finde auch Zeit, mich eigenen kleinen Projekten zu widmen.

Katharina Wöppermann ist Mitglied im VÖF, dem Verband österreichischer Film­ausstatterInnen (der Teil des Dachverbands der Österreichischen Filmschaffenden ist). Berufstätige im Bereich Szenenbild, Kostümbild, Requisite und Garderobe werden durch den VÖF in ihren arbeitsrechtlichen, ökonomischen und kulturellen Interessen nach außen vertreten. Innerhalb des Verbands besteht die Möglichkeit zu Fachaustausch und Vernetzung. Die Website ist als detaillierte Informationsplattform inklusive Einzelvorstellung der Mitglieder angelegt: www.filmdesigners.at

Das nächste VÖF-Werkstattgespräch findet am 3. Dezember um 19 Uhr im Metro Kinokulturhaus statt. Der deutsche Szenenbildner Udo Kramer und der österreichische Kostümbildner Thomas Oláh berichten über die gemeinsame Arbeit an Free Rainer, Die Vermessung der Welt und Der Medicus. Eintritt frei, Anmeldung unter office@filmdesigners.at