Die Digitalisierung der Kinos ist abgeschlossen, auch die Programmkinos haben sie unbeschadet überstanden, rechnet man den Verlust des Filmmaterials nicht ein. Damit sie weiterhin überleben, hält Wien eine Kinoförderung bereit. Wie das kam und wie gut sie funktioniert, wird hier erzählt.
Es gab eine Zeit, in der es noch keine Multiplexe gab. Kinos hatten oft nur einen Saal. Auf Zelluloidstreifen belichtete Bilder wurden auf mitunter recht kleine Leinwände geworfen. Damals musste man Handys vor der Vorführung noch nicht entschärfen, und weil kein Mensch sich mit einer klobigen Videokamera in den Kinosaal gesetzt hätte, um einen Film abzufilmen, begannen Filme zumeist mit dem Verleih-Logo, aber nie mit einer Piraterie-Warnung. Das alles ist zwar nicht so lange her, dennoch sind die meisten dieser Kinos verschwunden. Die, die es noch gibt, werden häufig Programmkinos genannt und sind für ihre anspruchsvolle Programmierung bekannt. 17 solcher Kinos gibt es in Wien, zumindest sind es 17, die von der Stadt Wien anerkanntermaßen eine Kinoförderung erhalten. (Nicht zu verwechseln mit der Filmförderung.)
Die Kinoförderung ist zwar nicht sehr hoch, über die je 10.000 Euro freuen sich die Kinobetreiber aber dennoch. Auch wenn es vielleicht nicht jeder von ihnen gleich zugibt. Daneben zahlt die Stadt Wien auch noch Geld für Programme, die sich Kinos zusätzlich ausdenken. Dazu später. Warum es diese Kinoförderung überhaupt gibt, und warum es sie in einigen oder vielen anderen europäischen Städten (darüber scheiden sich die Geister) nicht gibt, muss man auch kurz erklären. Eigentlich war die Stadt Wien lange Zeit der größte Kinobetreiber Wiens, ja ganz Österreichs. KIBA-Kinos (KIBA = Kinobetriebsanstalt, gegründet 1926) hießen diese kommunalen Abspielstätten, und sie waren zu ihrer Zeit wirtschaftlich erfolgreich. Anfang der neunziger Jahre setzten sich KIBA und der große Kino-Rivale Constantin an einen Tisch, um ein gemeinsames Unternehmen zu gründen: die Cineinvest. Die Cineinvest begann nun, Multiplexe zu planen und später auch zu bauen. Da zwischenzeitlich die SPÖ die absolute Mehrheit in Wien verloren hatte, erhielt die ÖVP und mit ihr Bernhard Görg das Amt des Stadtrates für Planung und Zukunft. Das war dann schon in der zweiten Hälfte der Neunziger. Görg, so erzählt man, vergab weitere Lizenzen für Multiplexe, Interessenten gab es ja genug. Als die mächtigen Kinocenter dann auch gebaut waren, waren die meisten der KIBA-Kinos nicht mehr zu halten. Einige wenige, genauer gesagt: das Gartenbau und das Metro, wurden jedoch mit Unterstützung der Stadt gerettet.
Parkring 12
Die unglückliche Situation war jedenfalls der Startschuss für die Kinoförderung. Der Stadt Wien tat es um die kleinen Kinos Leid. Ein Zeitzeuge berichtet, dass man sich ein Modell ausgedacht hatte, mit dem diese Kinos ein Zubrot erhalten sollten – über eine progressive Vergnügungssteuer, die ab einem bestimmten Umsatz einsetzt. Auf diese Weise sollte über die potenten Multiplexe den kleinen Kinos eine Förderung ermöglicht werden, fairnesshalber. Zusätzlich dazu, als zweite Säule, sollten engagierte Kinos mit schönem Arthaus-Programm, also die Programmkinos, nochmal eine Förderung erhalten, weil sie einfach nicht so massentauglich denken (müssen). Ein schöner Plan, denkt man. Aber so kam es dann auch wieder nicht. Um es kurz zu machen: Der Gedanke der Kinoförderung hat sich trotzdem durchgesetzt, aber eben mit einem fixen Betrag. 10.000 Euro erhält jedes Programmkino, das berechtigterweise ansucht. Seit 2012 erhält es diesen jedoch nicht mehr von der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7), sondern vom Filmfonds Wien. Das Gerücht, dass dieser Transfer zu Lasten der Filmförderung gegangen sei, kann der Filmfonds übrigens nicht bestätigen. Das Budget blieb praktisch gleich, nur die Digitalisierung zog vorübergehend Mittel ab. Aber damit wurden die Programmkinos ja quasi in die Zukunft hinübergerettet.
14 Kinos unterstützt der Filmfonds nun: das Votiv Kino, das Filmcasino, das Admiral, das englischsprachige Haydn-Kino zählen dazu, aber auch das Urania und das Actors Studio (beide von der Constantin-Gruppe bespielt). Warum die Abwicklung von der Kulturabteilung zum Filmfonds Wien gewandert sind, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Man könnte argumentieren, der Fonds sei ein Kompetenzzentrum, und wenn man im Filmfonds Wien darauf hinweist, dass nun die gesamte Wertschöpfungskette gebündelt sei, dann macht das durchaus Sinn. Diese Kinoförderung ist quasi ein Automatismus, solange man einhält, was in den Richtlinien steht. Gerlinde Seitner, die Geschäftsführerin, zitiert daraus, wenn sie sagt, dass mindestens 40 Prozent der Vorführungen so aussehen müssen: niveau- und gehaltvolles Programm, das durch österreichische und europäische Filme, solche in Originalfassung, aber auch innovative Kurzfilme oder Jugendfilme gestaltet wird.
Die Programmkinobetreiber beschweren sich nicht über diesen Aufwand. Dass sie 10.000 Euro aber nicht so viel finden (Betreiber mit mehreren Standorten erhalten maximal 20.000 Euro) lässt sie, offenbar auch dies ein Automatismus, in Gesprächen aber schnell auf zwei andere Kinos zu sprechen kommen: auf das Gartenbaukino und das Stadtkino, das neuerdings und bis auf Weiteres im Künstlerhauskino residiert. Auch diese beiden Kinos sind Programmkinos, sie unterscheiden sich aber von den bisher genannten dadurch, dass sie nicht vom Filmfonds Wien, sondern auch weiterhin direkt von der Stadt Wien ihr Geld bekommen, und zwar etwas mehr: rund 400.000 Euro das Gartenbau, rund 300.000 das Stadtkino.
Hans König ist für das Programm im Filmcasino verantwortlich und hält die genannten Summen für unangemessen, eigentlich für unfair. Ein Beispiel: Wenn das Filmcasino, das Gartenbau und das Stadtkino von einem Verleih denselben Film wollen, dann kann es schon sein, dass das Gartenbau oder das Stadtkino dem Verleih anbietet, Werbeleistungen selbst zu finanzieren, die sonst der Verleih finanzieren muss – um sich im Gegenzug den Film exklusiv für Wien zu sichern. Das wird, sagt König, dadurch möglich, dass die beiden Kinos eine exorbitant höhere Förderung erhalten als die anderen Programmkinos. König: „Das Problem ist offensichtlich: Es kommt zu einer Verzerrung der Bedingungen, die für die anderen Programmkinos einfach unfair ist.“ Dass man mit mehr Geld auch mehr Marketing, mehr Personal, besser bezahltes Personal usw. einsetzen könne, sei also klar. Die finanzielle Übermacht macht es möglich.
Der Fairness halber sei auch Norman Shetler, Geschäftsführer des Gartenbaukinos, zitiert. Shetler streitet nicht ab, dass das Kino viel Geld bekommt, Betriebssubvention, um genau zu sein. Wer aber an der exklusiven Adresse am Parkring ein Kino betreibe, der habe eben eine Entscheidung getroffen, in diesem Fall ist es eine kulturpolitische der Stadt Wien. So viel Geld, wie es sich anhört, bleibt dem Gartenbau aber auch wieder nicht. Deutlich über 20.000 Euro monatlich verschlucken Miete und Fixkosten, einfach so. Das klingt mächtig, andererseits braucht dafür niemand am Parkring 12 in die Auslage eines Autosalons zu starren, sondern kann ein großes, altes Programmkino betreten. Das letzte seiner Art, wie Shetler anmerkt. Er weist darauf hin, dass mittlerweile ein Eigendeckungsgrad von 60 Prozent erreicht wurde: Ticketeinnahmen, Vermietungen, Sponsoring, etc. machten es möglich. Dass die Viennale das Gartenbau braucht, bestreiten weder König noch andere Programmkinobetreiber. Die Kritik an der hohen Betriebssubvention bleibt aber. Michael Stejskal, Gesellschafter und Geschäftsführer des Filmladens und damit von Votiv und De France, weist auf ein anderes Detail hin: Die Kinoförderung sei seit ihrer Einführung, zu Zeiten, als es noch den Schilling gab, nie valorisiert worden. Das findet Stejskal sehr schade. Zugleich betont er aber, welches Glück die Wiener Kinoförderung für die Programmkinos sei.
Projektförderung
Ein anderes Kapitel, das auch hierher gehört, ist die Projektförderung. Programmkinos können, wie erwähnt, um Mittel ansuchen, wenn sie sich Programmschienen, Sonderprogramme oder andere kulturell erbauliche Film-Highlights ausgedacht haben. Michaela Englert, die vor einigen Jahren das altehrwürdige Admiral Kino übernommen und programmlich und publikumsmäßig erweitert hat, scheint die Projektförderung mittlerweile zu verdrießen. Sie hält den bürokratischen Aufwand, der dafür verlangt wird, für zu hoch. Für ein kleines Kino wie das Admiral, das über keinen Apparat an Buchhaltern und Kostenrechnern verfügt, wäre es einfacher, wenn man mit Personal- und Betriebskosten nicht so rein- und rausrechnen müsste. Belegbare Sachkosten sollten es für die Subvention von ein paar Tausend Euro doch auch tun, meint sie.
Auch Hans König, grundsätzlich sehr glücklich über die Programmförderung, käme eine Abänderung der Richtlinien gelegen. Eine erfolgreiche Filmschau werde finanziell geradezu bestraft, so König: „Ich halte es nicht für plausibel, dass man, wenn man einmal einen Gewinn macht, die Förderung anteilsmäßig zurückzahlen muss, in der Folge für die Fortsetzung des Projekts eine geringere Förderung bekommt und dann Verluste selbst tragen muss. Das war vergangenes Jahr bei der ,Latin Filmlounge‘ so. Ich erhalte Förderung, darf aber daran nichts verdienen. Das ist nicht gerade eine Stärkung des Kinos.“ Ein wenig kurios mag es anmuten, dass für die Projektförderung wiederum nicht der Filmfonds Wien verantwortlich ist, sondern das Kulturamt der Stadt Wien. Gespräche mit der Stadt über diese Situation hätten aber leider bislang nichts gebracht.
Beim Filmfonds Wien hat man, obwohl man dafür nichts kann, dennoch einen Standpunkt. Der lautet in etwa so, dass für die kinokulturelle Projektförderung, die im Jahr 2013 immerhin rund 90.000 Euro und heuer 110.000 Euro schwer ist, auch einen genauen Kostennachweis erwarten darf. Alles andere sei dem Steuerzahler gegenüber unverantwortlich. Der Trend zur kreativen Programmgestaltung geht jedenfalls weiter. Ob es auch einen Trend zu einfacheren Antragsbedingungen und zu ausgeglicheneren Kinoförderungen zwischen Programmkinos und Programmkinos geben wird, wird die Zukunft weisen. Die bisher geführten Gespräche haben es bislang offenbar noch nicht getan.