Schwerter zu Pflugscharen: Eine Replik auf Helmut Grassers Aussagen im September-ray fordert per Ohrenreiberl zu Einigkeit und Brüderlichkeit auf.
Da ich die Sprache einiger heimischer Singvögel verstehe, seien mir Übersetzung und Deutung von Helmut Grassers Geträller im ray-Heft vom September gestattet. Grassers Balz wäre dann ernsthaft diskutierbar – und solch Diskurs wäre zu suchen – wenn daraus nicht, süß geraspelt daherkommend, der Revierkampf herausleuchten würde. Es geht Grasser um die Futtermajorität in einer kargen Landschaft. Grasser und einige andere „größere“ Produktionsfirmen sind der Ansicht, es sei angesichts geringer Förderbudgets unsittlich, die überschaubaren Mittel auch für kleinere, junge oder nachwachsende Firmen, deren Gründer oftmals aus dem Kreativbereich kommen, also an die „Konkurrenz“, zu verschwenden, schwäche dies doch die großen, personalstarken Firmen.
Der Gedanke ist interessant, besonders, weil ihm eine treuherzige Scheinheiligkeit innewohnt, die offen übersieht, dass es vor allem den einzelnen Projekten zukommt, Erfolge zu generieren. Grassers Gesang verdeckt sein eigentliches Angriffsziel: In Frage stellt er die Unabhängigkeit der Filmförderung, also jene Chancengleichheit, die gewährleistet, dass vor allem das einzelne Projekt bewertet wird. Die Förderung des dahinterstehenden Unternehmens hat nicht jenen Stellenwert, den Grasser zu erflöten wünscht. Es handelt sich eben um eine Qualitätsförderung, ausgerichtet auf die Bewertung der Projektqualität, nicht um eine Strukturförderung, die einzelnen Firmen das Auskommen sichern soll. So ist aus empirischer Sicht klar, dass nicht der Apparat eines personalintensiven Unternehmens oder seine heimische Vernetzung im Filmförderbereich Erfolg garantieren, sondern allein die wirtschaftlich-künstlerische Qualität Publikums- und Kritikerfolge sichert. Und diese Erfolge gelingen auch kleinen Firmen – siehe z. B. Die fetten Jahre sind vorbei von Coop 99.
Hits und Flops
Grasser: Darum geht’s doch nicht, sondern um direkte Verantwortung. Ich behaupte, dass ich – oder auch jemand anderer aus der Branche – als Verantwortlicher innerhalb von zwei Jahren den Marktanteil mindestens verdoppeln, die Verkäufe kräftig ankurbeln würde – bei gleicher Festivalpräsenz. Allein dadurch, dass ich den Dialog mit den Talenten suchen würde: durch gezielte Förderung.
Übersetzung: Grasser selbst oder eine seiner Interessenvertretung geeignet scheinende Person würde bestellt, um, gewiss nicht selbstlos, in die Autonomie der Filmförderung einzugreifen. Zu Gunsten jener, die das Produzieren erfunden haben wollen und sich mittels der von ihnen beigestellten Statistiken als die Erfolgreichen definieren. Statistiken dienen stets jenem, der sie schlau handhabt. Schlau ist auch, dass Grasser – unbestritten ein fähiger Produzent, der auch große Erfolge hatte – verschweigt, dass er sich auch um einige Flops verdient gemacht hat, ebenso wie Kollege Danny Krausz von der Dor Film.
Der Redlichkeit halber soll dieses Faktum nicht unerwähnt bleiben, ist es doch die Nichtveröffentlichung der in den manipulierten Statistiken nicht aufscheinenden eigenen Misserfolge, die kennzeichnend für Grassers unlautere Schlüsse und Begehrlichkeiten ist.
Grasser: Stattdessen wird eine Vielzahl kleinster Produktionen gefördert, von denen man dann nichts mehr hört.
Übersetzung: Grasser & Co. verschweigen wohlweislich, dass sie selbst eine Vielzahl an Produktionen in den Sand gesetzt haben, von denen sie nichts mehr hören wollen. Da dies teilweise mit recht hohem Einsatz finanzieller Mittel geschah, wäre es interessant, den pro Kinokarte eingesetzten Förderaufwand auszurechnen. Aber das nur nebenbei. Dass also mittels höherer Dotierung eines einzelnen Projekts sein Erfolg gewährleistet oder hergestellt würde, ist, wie oben zu erkennen, nicht der Fall.
Grasser: Wir sollten jährlich 20 Filme fördern, keinesfalls mehr.
Übersetzung: 32 Millionen, verteilt auf wenige Unternehmen, das verschaffte diesen (sieben?) personalstarken Firmen den Wettbewerbsvorteil einer Firmenstrukturfinanzierung (Personal, Equipment). Das für diese großen Firmen erforderliche Geld müsste, so Grasser im Klartext, anderen, kleineren Firmen möglichst weggenommen werden. Motto: Wir schalten mit unseren Freunden die nachwachsende Konkurrenz aus. Nicht wirklich lustig! Sehr heiter andererseits, dass gemäß nach ebenso beliebiger Methode erstellter Statistik Grasser & Co. noch acht Filme fehlen würden, um sie vom Produzieren auszuschließen.
Das kann nun nicht das Ziel sein und machte dem Kartell sicher keinen Spaß, und es ist deshalb aufzurufen, Grasser und Freunden nochmals Chancen zu gewähren! Grasser und auch einige seiner Interessengruppierung produzieren eben mehr als andere, kleinere oder nachwachsende Firmen. Deshalb haben sie auch mehr Hits – und Flops – zu verbuchen. Es handelt sich, wie die manipulierte Statistik zeigt, um einen privatwirtschaftlich determinierten Verdrängungskampf, der die Umverteilung der knappen Mittel herbeiführen soll.
Tuscheln und Mauscheln
Angesichts der tatsächlichen Unterdotierung scheint dieses Vorhaben auf den ersten Blick sinnvoll, doch sind Grassers Gedankengänge bloß schlau: Mittels unterschwelliger Denunziation (Besucherstatistiken, die die eigenen Flops auslassen; nicht erwähnen, dass das Modell Haneke – Besucherzahlen seiner ersten Filme bei rund 3.000 – unter Grassers „Bedingungen“ wohl kaum so erfolgreich aufgeblüht wäre) sollen andere Filmschaffende, nämlich solche, die nach Ansicht Grassers nicht marktgerecht (Definition?!) arbeiten wollen, gebrandmarkt und für fördervogelfrei erklärt werden.
Inhaltliche Auseinandersetzung und Diskurs wurde Grasser & Co. noch im alten Produzentenverband angeboten, diesem Diskurs hat sich die Gruppe aber durch Austritt und Gründung eines eigenen Interessenkartells namens „Film Austria“ verweigert. Weiser und erfolgversprechender wäre es, solidarisch und im gemeinsamen Diskurs an der Mittelvermehrung und der Strukturverbesserung zu arbeiten. Denn wenn sich nun, um vorsichtshalber nicht erkannt zu werden, einige sich einflussreich wähnende „große Filmproduzenten“ (© Film Austria) das Sakko eines der besten Rechtsanwälte ausleihen, um, wie kürzlich, einen Stadtrat im Glauben anzupatzen, dieser würde auf Zuruf seine Personalentscheidung beim Filmfonds Wien sogleich wunschgemäß revidieren, so lassen diese Manöver auf mangelnde Courage im Verein mit politischer Naivität der Urheber schließen.
Bei aller journalistischer Ausfertigung meines Beitrags sei vermerkt, dass die Produzentenkollegen von Film Austria um Grasser meinen Respekt für ihre Produktions-Arbeit haben, die ja unbestritten ein wichtiges Spektrum des österreichischen Filmschaffens darstellt. Meine Einlassung moniert, neben der irrigen Methodik, die Gesprächsverweigerung und die schlaue Unredlichkeit Einzelner. Die politische Ebene schließt – in diesem Fall zu Recht – auf eine durch Zerwürfnis, Geschäftsneid und Missgunst hervorgerufene Schwäche der Filmwirtschaft, die, weil sie sich eben so ungeschickt und zerstritten darstellt und nicht mal persönlich die Verantwortung für ein Ansinnen zu übernehmen bereit ist oder eigene Flops einräumt, eine ernsthafte Würdigung ihrer Interessen nicht verdient. Das ist der Punkt! Damit also eine reinigende Diskussionskultur die Ränkekultur der vergangenen Monate ablöst und das trübe Klima von Misstrauen, dem Herumgeschleiche und Belauern, dem Tuscheln und Mauscheln, der Schadenfreude über die Misserfolge der „Konkurrenz“, damit das egoistische Streben nach dem exklusiven eigenen wirtschaftlichen Vorteil dem Sonnenschein und einer frischen Brise weicht, mögen dem geehrten Publikum die Hintergründe der unheiligen Tat transparent gemacht werden.
Offen und partnerschaftlich
Es gab einmal die AAFP als einzigen österreichischen Produzentenverband. Nachrückende jüngere Mitglieder ventilierten bald ihre Forderungen, als gleichberechtigte Partner an dessen Entscheidungen teilhaben zu wollen. Der Vorstand des Vereins – bestehend aus den „großen“ Produzenten – stellte sich, kurz gesagt, dagegen, verweigerte die Diskussion über gemeinsame Ziele, trat, entschlossen, seine Position nicht abzuändern, aus der AAFP aus und gründete flugs seinen eigenen Interessensschutz-Verband Film Austria, der nun allein die Leidenschaften der „großen“ Filmproduzenten vertritt. Diese Leidenschaft erstreckt sich mitnichten auf das bloße Herstellen von Filmen, sondern sucht die Strukturen, die diese Filme finanzieren, zu steuern. Allerdings mit Fokus auf eine etwas exklusivere Klientel. Film Austria strebt (Zitat) „eine Synchronisierung öffentlicher Förderungsmittel an“. No na. Hat man diese Strukturen in der Hand, geht’s besser, allerdings um den Preis der Auflösung der Unabhängigkeit dieser Struktur. Da war ich stets ein bisserl dagegen. Ich denke, dass die Filmförderung allen Qualifizierten unabhängig zur Verfügung stehen soll und dass filmpolitische Forderungen offen und partnerschaftlich, also ohne unternehmerischen Vernichtungswillen vorgetragen werden müssen.
Die selbst Auserwählten von Film Austria bedauern treuherzig, dass „immer weniger Geld in immer mehr Projekte“ fließe, de facto stehen die Vertreter von Film Austria aber unter dem tunlichst verschwiegenen Leidensdruck ihrer schrecklichen Befürchtung, dass auch Geld an andere Filmprojekte und an kleine und mittlere Unternehmen, also, um Gottes willen!, an die erfolgreich nachgewachsene Konkurrenz, fließe und es somit in der Folge an Geld für die im Film Austria kartellierten Firmen mangle. In Geldsachen versteht Film Austria keinen Spaß, der noch dazu auf ihre Kosten gemacht würde. Es könnte ja sein, dass Juryentscheidungen allein die Qualität des vorgelegten Filmprojekts würdigten.
Weiterer gedanklicher Grundfehler dieser einer pekuniär geprägten Denkschule verpflichteten Proponenten der Film Austria ist, dass durch die schlaue Tagesdenke übersehen wurde, dass ein Verteilungskampf nicht nach innen, sondern nach außen gefochten werden muss, um nachhaltigen Erfolg abzuwerfen. Geprägt durch die Antizipation marktbereinigender Intentionen der Ära Morak und das daraus gefolgerte Gedankengebilde „Auch wenn einige Firmen untergehen, so werden wir, die größeren Filmproduktionsfirmen, schon überleben, wenn wir uns arrangieren“, hat Film Austria den Regierungswechsel und die dadurch gewonnenen neuen Chancen etwas unscharf auf den Schirm bekommen und verkannt, dass bloßes Konkurrenzdenken kein effizientes Mittel der Politik sein kann. Nur eine geeint auftretende Filmbranche, die den Streit offen austrägt, den Diskurs aushält und auf Hinterzimmerknaller verzichtet, ist in der Lage, jene Strukturen vorzulegen, die eine Mittelmehrung nach sich ziehen.
Sollte es sich aber bei Grassers Worten um ein Rückzugsgefecht gehandelt haben, so ist an Clausewitz zu erinnern, der lehrte, dass es sich beim Rückzug um die schwierigste militärische Operation handelt. Dieser Rückzug wäre jedenfalls schiefgegangen und verdient infolge der bloß schlauen, somit kurzsichtigen Fehlstrategie auch keinen Respekt. Ein brillanter Anwalt vorn am Bug, die anderen in der sicheren Kajüte, wie zuletzt beim Angriff gegen die Bestellung des Geschäftsführers des Filmfonds, das klappt nicht. Obschon die Rakete damals am Schiff explodierte, hat der Krepierer einiges auf die Planken gebracht, und so erhellte der Vorgang in seinem Scheitern, wie unverfroren, patschert und ohne jede Sensibilität und Gefühl für Taktik, geschweige denn Scham, knallharte wirtschaftliche Interessen vorgetragen werden konnten. Was über Jahre insgeheim im Verborgenen blühte und zur Spaltung des Produzentenverbands in zwei Verbände führte, wird nun unverhohlen gespielt.
Solch pfiffige Finesse ist schädigend und auch atypisch für die filmpolitischen Forderungen der Branche, denn die filmschaffende Mehrheit tickt und denkt anders, legt Konzepte und Studien vor und sucht mit probateren Mitteln als mittels auf Personen fixierten Manövern filmische Qualität und Finanzierungssubstanz zu sichern. Die aus falsch verstandenen Konkurrenzmechanismen und Fehleinschätzung der eigenen Position entstandenen Strategien der Verhinderung einiger Schlauer liegen teilweise so offen, dass gerade deshalb das Kunststück nicht gelingt, mittels Tricks und vermeintlicher Netzwerke Macht, Einfluss und Fördergeld zu sichern und die unabhängigen Filmförderer quasi für wenige Selbstauserwählte zu privatisieren.
Weisheit und Geschick
Andere Unterwanderungs- und Angriffspläne des „Syndikats“ um Grasser, etwa, ein so genanntes Controlling unter der Führung des pensionierten Filminstituts-Direktors zu bestellen – welches Signal für die Filmwelt! –, um unter dem Mäntelchen der Effizienz die umfassende Kontrolle über die Mittelvergabe aller unabhängigen Förderinstitute zu erzielen, solche unfrommen Wünsche werden wohl im Sandkasten bleiben, oder, das wäre doch besser, ganz eingemottet, um einem kreativ-partnerschaftlichen Dialog des Filmschaffens zu weichen. An der Unabhängigkeit der Filmförderung führt kein Weg vorbei. Unabhängige Experten werden eben weiterhin und frei von Interessengruppenpression über das jeweilige Filmprojekt befinden. Das einzige Kriterium wird weiterhin die Qualität des Filmprojekts sein, nicht der Einfluss oder Druck des Produzenten auf die Förderer. Und das ist gut so.
Zu erhoffen wäre, dass jene Filmproduzenten, die die Kabalen zu verantworten haben, durch die Wirklichkeit veranlasst werden, die bloße Büberei aus dem filmpolitischen Forderungskatalog zu verbannen, sodass sie nun mit Weisheit und Geschick zu einer Tagesordnung zurückkehren können, die die Begriffe Solidarität, gemeinsame Interessen und filmische Qualität beinhaltet. Fern jeder überheblichen Belehrung darf betont werden, dass nur der Einigkeit der Branche jene Schlagkraft innewohnen kann, die zur Belebung der Filmwirtschaft führt und die bei den politischen Entscheidungsträgern Wirkung zeigt.
Die Chancen, Qualität abzuliefern, steigen erheblich, wenn sich die Filmproduzenten – alle Filmproduzenten – unbehindert von Wadlbeißereien und Intrigen wirklicher Arbeit widmen können. Produzentenarbeit heißt, Talente zu entdecken und zu fördern, Filme zu entwickeln und zu drehen, die Auswertung zu forcieren, die internationale Vernetzung und die nationale Akzeptanz auszubauen. Mein Vorschlag ist einfach und ohne Hexenkreuz: zum Henker mit den Schmutzkübeln, die in den Keller gehören. Vergessen wir die Altlasten und arbeiten wir miteinander und gleichberechtigt für ein gemeinsames Ziel. Ist ja nicht so schwer. Einige Herren von Film Austria sind zwar mitunter auf einem anderen Trip, fischen in trüben Wässern, aber gerade jetzt ist die Feststellung zu treffen, dass es sich bei diesen Persönlichkeiten um wirklich qualifizierte Medienmacher und Filmproduzenten handelt, denen auch hohe Anerkennung zu zollen ist. Sie sind nun sicher in der Lage, sich mit allen wieder an den Tisch zu setzen und Partner zu sein.
Mit Verlaub, es war an der Zeit, einmal tief durchzuatmen.
Katharsis! Musik! Vorhang zu! Vorhang auf!
Der österreichische Film ist unkaputtbar!
Franz Novotny, Jahrgang 1949, ist Regisseur (Exit, Die Ausgesperrten, Die Spitzen der Gesellschaft u. a.) und in den letzten Jahren verstärkt Produzent mit Engagement im südosteuropäischen Raum (The Punishment, Gori Vatra, Summer in the Golden Valley). Darüber hinaus ist er ein auch international vielfach ausgezeichneter Werbefilmer und Kuratoriumsmitglied des Verbandes Österreichischer Filmproduzenten AAFP.