Filmkritik

Old

| Andreas Ungerböck |
M. Night Shyamalans neuer Film ist genauso schlimm wie befürchtet.

Ein Problem an dem Film, und es gibt deren viele, ist schon der Titel: Old ist ein Spoiler ersten Grades, und man versteht nicht, warum Meister Shyamalan nicht zum Beispiel beim Titel der Vorlage geblieben ist: „Sandburg“ ist eine Graphic Novel von Pierre Oscar Lévy und Frederik Peeters aus dem Jahr 2010. Das hätte gut gepasst und nicht alles vorweggenommen. Zweites Problem: der Trailer, der seit Wochen im Netz kursiert, und viel zu viel von dem zeigt, was in dem Film (nicht) passiert. Das Gefühl hat man zwar bei anderen Filmen auch, aber hier ist es besonders krass.

Nun denn also, mit dem Versuch, ein “Geheimnis” zu bewahren: Eine US-Musterfamilie (Vater, Mutter, Tochter, Sohn) macht Urlaub in einem tropischen Resort (gedreht wurde an zugegeben paradiesischen Locations in der Dominikanischen Republik). Die merkwürdig unfrohe Mom (Vicky Krieps) und der erstaunlich unsympathische Dad (Gael García Bernal) stehen vor der Trennung. Tut aber zunächst nichts zur Sache. Soweit, so gut. Auf Einladung des Hotel-Managers werden die Vier, zusammen mit ein paar anderen – ethnisch selbstverständlich sorgfältig ausbalancierten – Menschen an einen abgelegenen Strand gebracht, wo sie einen idyllischen Tag verbringen sollen. Wie sich herausstellt: ohne Handyempfang, eh klar.

Das Grauen beginnt sich anzudeuten, als die Leiche eines anderen weiblichen Hotelgastes angeschwemmt wird. Und schon bald stellen die unfreiwillig zur „Gruppe“ (im Sinne von Gruppendynamik) werdenden Urlauberinnen und Urlauber fest, dass sie deutliche Zeichen von Alterung aufweisen, wenn auch nicht alle im gleichen Ausmaß; die Kinder nämlich altern deutlich rascher als die Erwachsenen. Zudem zeigt sich, dass unangenehme Eigenschaften – und wer hätte die nicht? – deutlich zu Tage treten.

Das klingt grundsätzlich nach einer spannenden Ausgangssituation, aber leider verbringt der heillos unterforderte Cast weit mehr als die Hälfte der Zeit damit, mehr oder weniger sinnvolle Mutmaßungen anzustellen, die sie in erschütternd läppischen Dia- und Monologen äußern. Der schmale Grat zur unfreiwilligen Komik, ein tödliches Merkmal für jeden Mystery/Horror-Film, wird des öfteren überschritten, auch dann, wenn das Geschehen besonders „grauenvoll“ sein soll. Der arme Mike Gioulakis, Shyamalans neuer Kamera-Buddy seit Split (2016), kann da auch nichts ausrichten. Die Kameraarbeit mag komplex und aufwändig sein, aber dem Film hilft sie nicht. Das ist umso bedauerlicher, als Gioulakis’ Fähigkeiten bei anderen, wesentlich subtileren Horrorfilmen wie It Follows (2011) und Us (2019) so maßgeblich zu Erfolg beigetragen haben.

Wie auch immer: Die „Auflösung“ des ganzen Rätsels geschieht mit dem Holzhammer in den letzten zehn Minuten und ist genauso unbefriedigend, wie man es ohnehin die ganze Zeit befürchtet hat. Wie reizvoll wäre es gewesen, gewisse Dinge im Unklaren zu lassen? Aber solche Feinheiten sind M. Night Shyamalans Sache nicht und sind es nie gewesen. Sehr viele seiner Filme leiden ja an seinem Hang zum Plakativen, zum Überdeutlichen. Dass die Hochform seiner früheren Tage – man erinnere sich an The Sixth Sense (1999) oder Unbreakable (2000) – längst dahin ist, sieht man von gelegentlich Ausreißern wie dem zumindest massiv verstörenden Low-Budget-Film The Visit (2015) ab, ist ein offenes Geheimnis, und seine hartnäckigen Fans hoffen ja bei jedem neuen Film inständig, dass sich das Blatt wenden möge. Angesichts von Old kann man sagen: Es wird wohl noch ein wenig dauern.