Vier Männer, eine Nacht: Regina King bringt in ihrem Regiedebüt Geschichtliches und Gegenwärtiges auf den Punkt.
Eigentlich wollte sie Zahnärztin werden. Aber wenn man die US-amerikanische Schauspielerin und viermalige Emmy-Preisträgerin reden hört, wird schnell klar, dass aus ihr auch eine hervorragende Politikerin hätte werden können. Dass sie sich letztlich doch für eine künstlerische Karriere entschied, war zwar nicht vorprogrammiert, erscheint im Nachhinein jedoch konsequent. Bereits mit 14 Jahren stand sie zum ersten Mal vor der Kamera, damals noch fürs Fernsehen in der Sitcom 227. 1991 gab sie in John Singletons Boyz n the Hood ihr Kinodebüt und ist seitdem eine konstante Größe auf der Leinwand und im TV. Ihr strahlendes, zahnweißes Lächeln hat sie dabei über die Jahre ebenso wenig abgelegt wie ihr politisches Engagement. Eine Tatsache, die sich nicht zuletzt auch in ihrer Filmografie widerspiegelt, die 2019 mit einem Oscar für die Beste weibliche Nebenrolle in Barry Jenkins‘ Adaption von James Baldwins If Beale Street Could Talk ihren bisherigen Höhepunkt fand.
Deshalb ergibt es auch Sinn, dass sich die heute 49-Jährige für ihr Regiedebüt ebenfalls einen Stoff vorgenommen hat, der zwar in der Vergangenheit angesiedelt ist, aber vieles von dem anspricht, was die USA bis heute bewegt. One Night in Miami spielt an jenem 25. Februar 1964, als Cassius Clay (Eli Goree) ein sportliches Wunder vollbrachte, indem er den als unbesiegbar geltenden Sonny Liston im Boxring zu Boden schlug und 22-jährig Weltmeister im Schwergewicht wurde. Wenig später sollte aus ihm Muhammad Ali werden, der seinen „Sklavennamen“ Clay ablegte, um zum Islam zu konvertieren. Aber zunächst wollte er seinen famosen Sieg feiern, leise zwar, aber immerhin lud er sich dafür drei Freunde ins Hampton House Hotel in Overtown, Florida, ein, die mit ihm die Nacht verbringen würden, darunter der Bürgerrechtler Malcom X (Kingsley Ben-Adir), der Soul-Sänger Sam Cooke (Leslie Odom Jr.) sowie der Football-Star Jim Brown (Aldis Hodge).
Das Treffen, so unglaublich es klingen mag, fand tatsächlich statt, nur die Dialoge, die in One Night in Miami gewechselt werden, basieren auf der Vorstellungskraft von Kemp Powers, der sein gleichnamiges Theaterstück von 2013 für den Film in ein Drehbuch verwandelt hat. Die treibende Kraft in den Gesprächen der vier Männer ist der Umstand, dass sich jeder von ihnen an einem persönlichen Wendepunkt im Leben befindet: Clay, weil er nach seinem großen Sieg mit seinem Beitritt zur Nation of Islam und der damit einhergehenden Namensänderung für neue Aufregung sorgen würde; Malcolm X, weil er kurz davor steht, aus eben jener Organisation auszutreten, die er jahrelang mit aufgebaut hat, um nach einer privaten Mekka-Reise stattdessen zum Initiator einer alternativen Außenpolitik zu werden; Brown beschließt, seine Sport-Karriere zu beenden, um sich auf die Schauspielerei zu konzentrieren; und Cooke plant sein Soul-Repertoire mit „A Change Is Gonna Come“ um eine politische Dimension zu erweitern, um seine einzigartige Stimme zukünftig auch für die gerechte Sache einzusetzen und musikalisch zu hinterfragen, was es bedeutet, ein schwarzer Mann in den USA zu sein.
Die Spannungen, politischen Debatten und privaten Konversationen, die sich aus dieser elektrisierenden Prämisse ergeben, hat King in ein elegantes, respektvolles und bisweilen hitziges Drama verwandelt, dass sich über große Teile als intensives Kammerspiel darbietet und seine Bühnen-Wurzeln offen zu Tage trägt, um sich vielseitig und kurzweilig mit zeitlos relevanten Themen auseinanderzusetzen. Bereits das Stück wirkte auf zwiespältige Weise zeitlos, phantastisch auf der einen, zum Verzweifeln auf der anderen Seite: Die Männer diskutieren ihre Identität, ihre Träume und Versäumnisse und die Frage, welche Rolle sie im andauernden Kampf für Bürgerrechte und Gleichberechtigung einnehmen sollen. Die Längen der zum Teil komplexen, stets klugen und nicht selten amüsanten Dialoge, die sich daraus ergeben, mögen den Film eingangs noch etwas hölzern erscheinen lassen, werden von den vier hervorragenden Schauspielern jedoch mit so viel Energie und Verve getragen, dass selbst die Anlehnung an die klassische Ein-Akt-Struktur des Stücks über weite Strecken konsequent erscheint und stilistisch souverän.
Für King, die in Zeiten von Corona und Fake News um die Fertigstellung ihres Erstlings rang, hätte es gar nicht schnell genug gehen können, um ihre filmische Gedankenübung in die Welt hinaus zu katapultieren: „Wir hätten den Film gerne vor der Präsidentschaftswahl herausgebracht,“ erklärte sie unlängst in einem Interview mit „Total Film“. „Aber vielleicht dient der Film den amerikanischen Bürgern trotzdem als eine Erinnerung daran, dass wir die Kontrolle darüber haben sollten, wie dieses Land für uns funktioniert, und hoffentlich als eine Erinnerung an die Politiker in Machtpositionen, dass man mit diesem Land und seinen Bürgern rechnen muss. Die Gespräche, die diese Männer 1964 geführt haben, sind Gespräche, die auch in den Fünfzigern, Sechzigern, Siebzigern, Achtzigern und Neunzigern geführt wurden, und die bis heute andauern. Das ist schade und traurig. Aber es ist so. Es ist eine Tatsache. Es ist die Realität.“