Die vielschichtige Hinterlassenschaft des G. W. Pabst
In Die Herrin von Atlantis (1932) reitet, an der Handlung kaum beteiligt, auch die Figur einer englischen Journalistin durch die Sahara. Eine Minirolle für die Schauspielerin Gertrude Pabst, deren berühmter Ehemann ihr das Schauspielen mit dieser Ausnahme vollständig untersagte. Mindestens in den Bereichen Kostüm und Drehbuch wirkte Trude, die Frau des großen Weimar-Regisseurs G. W., aber sehr wohl am künstlerischen Werk ihres Gatten mit. Angela Christlieb blickt mit Pandoras Vermächtnis hinter die Kulissen der Karriere der Pabsts, deren Œuvre als Kulturerbe gilt, das heute noch besprochen, bedacht, zitiert wird. Christliebs Film ist keine nüchterne Fakten- und Datenreihe oder filmgeschichtliche Analyse, ebenso wenig eine rein sentimentale Familienaufstellung. Mit zwei Enkeln und einer Enkelin hat sie drei Linsen gefunden, die bereitwillig scharf stellen auf ihren Großvater, ihre Großmutter, deren Kinder, die ihre Eltern sind. Dabei legen sie Nachwirkungen der oft unguten Dynamik in der Beziehung von / Erziehung durch das Ehepaar Pabst frei.
Pandoras Vermächtnis ist ein Film über eine Familie, eine namentlich berühmte zwar, doch den hier beschriebenen Patriarchen könnte man, abseits von durch Ruhm und Milieu bedingten Details, in beinahe jeder Familie dieser Epoche ausfindig machen. Leider leuchtet der ambitionierte Film seinem Publikum die eigene Überzeugung, künstlerisch-forschend etwas Tiefgründiges herauszufinden, wie mit greller Kopflampe ins Gesicht. Sodass wir, die wir uns vielleicht für Pandorabüchsen interessieren, für Vermächtnisse, für Pabst sowieso – sonst hätten wir uns in den Kinosaal doch bloß zufällig verirrt –, anekdotisch und bildsuggestiv ziemlich geblendet um uns tasten müssen: nach zwar wichtigen, aber recht oberflächlichen Patriarchatsbelegen da, eher trivialen Kinohistorienfußnoten dort; und näher im Grunde nur über die Lebensleidenschaften der Kindeskinder Bescheid bekommen – primär sind das Künste, Dinosaurier und Schmetterlinge –, uns aber fragen müssen, was es ist, das uns hier gedanklich fesseln soll. Manchen wird die Methode, Szenen aus Filmen von G. W. Pabst mit dem Gesagten der Nachkommen und den vorgelesenen Briefen (von beiden Eheleuten) und Traumtagebüchern (von Trude) verschiedenartig in Verbindung treten zu lassen, Freude bereiten. Notwendig für die Erkenntnis, dass einer der meistbeschäftigten Regisseure privat eher kein idealer Partner und Papa war, oder die Einsicht, dass gebieterische Väterfiguren über Generationen hinweg Schaden anrichten können, ist sie eher nicht. Das künstlerische Denken des besonderen, einflussreichen Geschichtenerzählers G. W. Pabst bringt uns Pandoras Vermächtnis nur in Ansätzen näher.