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Parallele Mütter

Filmkritik

Parallele Mütter

| Pamela Jahn |
Wenn Mütter zueinanderhalten

Mütter haben es nicht leicht. Grundsätzlich nicht und in den Filmen von Pedro Almodóvar schon gar nicht. Immer wieder im Laufe seiner Karriere hat er seine diversen Schauspielerinnen und Musen die unendlichen Facetten des Mutterseins durchexerzieren lassen: Die Freude, den Kampf und das Pflichtgefühl, den Stolz und auch die Enttäuschung. Seine Mütter geben immer alles, selbst wenn sie von vornherein ahnen, dass sie der Sache vielleicht nicht gewachsen sind. Sie sind Kriegerinnen in knallroten Mänteln und mit hochtoupierten Haaren, vollmündig oder schmallippig, elegant oder abgebrüht, im besten Fall beides.
Die zwei Mütter, die Almodóvar in seinem neuen Film ins Zentrum rückt, könnten jedoch auf den ersten Blick unscheinbarer kaum sein: Janis (Penélope Cruz) und Ana (Milena Smit) teilen sich ein Zimmer auf der Entbindungsstation. Beide sind hochschwanger, sprechen einander vor der Geburt gegenseitig Mut zu und versprechen sich, auch im Anschluss an die Entbindung in Kontakt zu bleiben. Doch die Parallelen, die der Titel verspricht, lassen sich im Alltag der beiden Frauen nicht finden und so bricht der Kontakt zwischen ihnen zunächst ab.
Während die junge Ana noch ganz am Anfang ihres Lebens steht und mit einer traumatischen Vergangenheit sowie einer abwesenden Schauspielermutter kämpft, plant Janis mit fast vierzig einen Neuanfang. Sie ist Fotografin, steht mit beiden Beinen im Leben, neben ihrer Karriere hat sie sich in den Kopf gesetzt, das Erbe ihrer Familie zu regeln. Bei einem Shooting lernt sie Arturo (Israel Elejalde) kennen, den sie schließlich um Hilfe bittet, ihr Herzensprojekt zu finanzieren: Es geht darum, ein Massengrab aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs auszuheben, in dem auch ihr Großvater liegen soll. Arturo nimmt sich der Sache an und bald führt eine zwanglose Affäre zwischen Janis und dem verheirateten Anthropologen zu besagter Schwangerschaft.
Doch als der Vater das Kind zum ersten Mal betrachtet, kommen ihm Zweifel, die auch Janis befallen. Sie entschließt sich zu einem DNA-Test, der Gewissheit bringen soll und stattdessen das Unmögliche bestätigt. Dem in der Geschichte verankerten emotionalen Chaos, das bei Almodóvar früher leicht in eine Farce geführt hätte, setzt der spanische Meisterregisseur diesmal eine zwar gewohnt farbenprächtige, aber tonal eher zurückhaltende und angemessen gefühlvolle Inszenierung entgegen. Das große Thema, das hier über allem schwebt, ist Empathie, ist weibliche Solidarität, eigebunden in eine Handlung, die das Verhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart ebenso auslotet wie die ganz großen Fragen des Lebens um Herkunft und Heimat, Liebe und Leid, Schmerz und Versöhnung.