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Personal Shopper

Filmkritik

Personal Shopper

| Oliver Stangl |
An American Ghost in Paris

Konnte sich Olivier Assayas mit Clouds of Sils Maria (2014), einer Hommage an das klassische europäische Autorenkino, noch einhellige Lobeshymnen abholen, musste Personal Shopper beim letztjährigen Kritiker-Screening in Cannes Buh-Rufe einstecken – allerdings durfte sich der Franzose am Ende mit dem Regie-Preis trösten. Die Gründe für die kontroversen Reaktionen sind wohl einerseits im Genre-Mix zu suchen, der sich einer klaren Kategorisierung verweigert, andererseits im ambivalenten Ende, das viele ratlos zurückließ. Dabei gibt es inhaltlich durchaus Parallelen zwischen den beiden Filmen, deren augenscheinlichste wohl die Hauptrolle betrifft: Erneut spielt Kristen Stewart die Assistentin einer älteren Frau.

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Als „Personal Shopper“ besorgt Maureen für Society-Lady Kyra (Nora von Waldstaetten) sauteure Kleider und Schmuck in den Pariser Luxusboutiquen. Ein oberflächlicher Job, den Maureen, die künstlerische Ambitionen hat, nur mit Widerwillen erfüllt. Das ist jedoch nicht alles, was sie bedrückt, denn die mit medialen Fähigkeiten ausgestattete Frau wartet, seit ihr Zwillingsbruder vor nicht allzu langer Zeit in Paris einer Herzkrankheit (die Maureen mit ihm teilt) erlag, auf ein Zeichen aus dem Jenseits. Und obwohl Maureen tatsächlich Geistererscheinungen wahrnimmt, werden ihre Zweifel an ihren Fähigkeiten nicht weniger. Der Ausdruck „spirituelle Krise“ erlangt eine Doppelbedeutung, das Warten auf ein Zeichen erscheint wie ein Hinauszögern von Lebensentscheidungen. Als ein grausamer Mord passiert, und Maureen Textnachrichten von einem mysteriösen Unbekannten erhält, wird sie mit Gefahr, aber auch der Faszination für Verbotenes konfrontiert. Assayas zitiert das Haunted-House-Genre ebenso wie Psychothriller, Slasherfilm und Drama – hier bricht ein Filmemacher bewusst mit Kategorien und Erwartungshaltungen. Die Thrillerhandlung mag dabei nicht die größten Überraschungen in petto haben, und vielleicht hätte man den Film ein klein wenig straffen können, doch punktet Personal Shopper mit stimmig inszenierter, bedrohlicher, auch psychosexueller Atmosphäre – sowie einer naturalistisch spielenden Kristen Stewart, die in vielen Szenen ganz ohne Gegenüber beeindruckt.

Ihr Porträt einer Frau, die gleichermaßen an der materiellen wie an der übersinnlichen Welt zweifelt und im Grunde auf der Suche nach Selbstverwirklichung – womöglich der Kern des Films – ist, bleibt nachhaltig im Gedächtnis. Auch sind die vielen zusätzlichen Ebenen, die der Film eröffnet, sowie das Ende definitiv einen zweiten Blick wert. „Buh“-Rufe kann man den Geistern überlassen.

Olivier Assayas im Interview über seinen Film „Personal Shopper“, über Kristen Stewarts Risikofreudigkeit und über seine Liebe zum Genrekino.