Harry Potter für Fortgeschrittene und auch für Erwachsene.
Im zweiten Teil der neuen J.K. Rowling-Reihe „Wizarding World“ stehen die phantastischen Tierwesen nicht mehr so stark im Mittelpunkt, dafür werden allzu menschliche Eigenschaften wie Verrat, Loyalität oder die Suche nach seinen Ursprüngen näher erforscht.
Dieser Shift von den putzigen Fantasiekreaturen zu den „realen“ Helden der Potter-Zauberwelt kostet das neue Werk etwas an Charme, bringt aber deutlich mehr Komplexität auf der Handlungsebene: Wenig überraschend entkommt Grindelwald in der spektakulärsten Actionszene des Films gleich zu Beginn aus seinem New Yorker Gefängnis, und die Story verlagert sich nach London und Paris, wo der suggestive Magier seine Getreuen um sich schart, um die Zauberer aus dem Leben im Untergrund zu befreien. Selbst Queenie Goldstein kann seinen Plänen einiges abgewinnen, könnte doch dann ihre Verbindung mit dem Bäcker Jacob Kowalski endlich legitimiert werden, während ihre Schwester Tina sich im Auftrag des amerikanischen Zaubereiministeriums auf die Spuren des Entflohenen macht.
An der Jagd beteiligt sich natürlich auch Newt Scamander, der im Lauf des Geschehens seine pazifistische Grundhaltung überdenken muss, während Creedence Barebone sich auf die Suche nach seiner Herkunft macht. Die Beziehung von Albus Dumbledore zu seinem ehemaligen Freund Grindelwald (mit sehr zart angedeuteten homoerotischen Untertönen) wird wohl in den kommenden Filmen eine größere Rolle spielen, wie überhaupt im zweiten Teil der Serie viele neue Handlungsstränge konstruiert und wenige gelöst werden. Wie auch in der Harry-Potter-Reihe (oder auch bei Star Wars und bisweilen auch im Marvel-Universum) bringt es wenig, sich ein Werk abgekoppelt von den anderen anzuschauen, der Reiz für das Publikum liegt ja gerade im Eintauchen in eine komplexe Welt, in der die immergleichen Themen wie der Kampf Gut gegen Böse, Verrat und Freundschaft und das Ringen mit den inneren Dämonen in stets neuen Abwandlungen verhandelt werden.
Dass die (Drehbuch-)Autorin J.K. Rowling eine Meisterin im Erschaffen einer solchen geschlossenen Phantasiewelt ist, steht außer Frage, gerade die vielen verspielten Details ihres Universums sind auch für Erwachsene äußerst anziehend. Die Phantastischen Tierwesen leiden ein wenig darunter, dass die Protagonisten keine Jugendlichen sind, aber Helden wie Newt Scamander, den Eddie Redmayne ein wenig so spielt, als hätte sich der junge Stephen Hawking aus Die Entdeckung der Unendlichkeit samt schüchternem Charme in die Harry-Potter-Welt verirrt oder das immer grinsende Paar Queenie und Jacob strahlen etwas durchaus Kindliches aus. Die Erwachsenenseite repräsentieren der charismatische Grindelwald, den Johnny Depp eher als begnadeten Verführer anlegt denn als als dumpfen Gewalttäter, und Dumbledore, dem Jude Law seine gewohnte Präsenz mitgibt. Wie üblich sind die Schauwerte wie auch das Tempo hoch, für Fans ist der lang erwartete zweite Teil sicher keine Enttäuschung. Wer bisher nichts mit dieser Zauberwelt anfangen konnte, wird auch von diesem Film nicht umgestimmt werden können.