ray Filmmagazin » Literatur » Pier Paolo Pasolini: Porno-Theo-Kolossal

Literaturtipp

Pier Paolo Pasolini: Porno-Theo-Kolossal

| Jörg Becker |
Der Schlussstein seiner Filmarbeiten spielt noch einmal auf eine Vielzahl an Themen und Motive aus Pasolinis Werk an.

Aus der Perspektive von Außerirdischen taucht man in das vitale Neapel ein, wo ein alter Gelehrter den Stern eines neu- oder wiedergeborenen Messias aufgehen sieht. Begleitet von seinem kauzigen Diener folgt er dem Kometen, der ihnen wie im Matthäusevangelium den Königen aus dem Morgenland den Weg weist, von Neapel nach Sodom (Rom), Gomorra (Mailand) und Numantia (Paris), und der nahe der archaischen Stadt Ur im Zweistromland endet. Die alttestamentlichen Städtenamen Sodom und Gomorra stehen für die Hegemonie unterschiedlicher sexueller Orientierung der dort Lebenden. Ehe Gott „Schwefel und Feuer regnen“ lässt, führt der Komet die Reisenden, in denen sich auch Totó und Ninetto aus Große Vögel, kleine Vögel (1966) erkennen lassen, über Numantia, Schauplatz einer faschistischen Invasion, in die Geburtsregion des Messias, der jedoch inzwischen gestorben und vergessen ist. Es war eine Illusion, die ihn durch die Welt geführt habe, so Epifanio, aber es sei diese Illusion gewesen, die ihn die Wirklichkeit der Welt habe erkennen lassen. Nur fünf Wochen vor seinem Tod stellte Pasolini die letzte Textfassung zu „Porno-Theo-Kolossal“ fertig, dessen Anfänge bis 1967 zurückreichen. Die Filmerzählung wird hier ausführlich kommentiert und mit theologisch und kulturwissenschaftlich fundierten Begleittexten vorgelegt. Ein Kino der Kontamination, der gezielten Verbindung heterogener Filmtraditionen und Stile, mit der Pasolini jegliche Erwartung gegenüber Pornografie, Religion und Spektakel erschüttert.