Piggy

Filmstart

Piggy

| Hans Langsteiner |
Mehr Psychothriller als Slasher-Horror

Ein übergewichtiger Teenager blickt grimmig und blutüberströmt auf den Betrachter – das Plakatsujet dieses spanischen Horrorfilms wandelt unübersehbar auf den Spuren rachedurstiger Adoleszenz-Thriller von Carrie bis Titane. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Werbung

Dabei scheint die Titelheldin zur archetypischen Zentralfigur dieses Genres wie geschaffen: Saras Familie betreibt eine Fleischerei in einem spanischen Kaff unweit der portugiesischen Grenze. Introvertiert und ängstlich wird das adipöse Mädchen von seinen Altersgenossinnen gemobbt und mit dem wenig schmeichelhaften Spitznamen „Piggy“ belegt. An einem heißen Badetag spitzt sich die Situation zu. Saras falsche Freundinnen provozieren ihr Opfer und rauben ihr die Kleider. Als die Mädchen kurz danach verschwinden und der Bademeister tot aufgefunden wird, gerät Sara in Erklärungsnot – zumal sie gesehen hat, wie ein Serienkiller eines der Mädchen in seinem weißen Kastenwagen entführt. Selbst als die Gewalt eskaliert und auf ihre Familie überzugreifen droht, schweigt Sara. Ist sie heimlich auf Seiten des Killers, fühlt sie sich sogar erotisch zu ihm hingezogen?

Die bisher mehr durch Fernseharbeiten (Alba) bekannte spanische Regisseurin Carlota Pereda hat diesen Horrorstoff, der die Spannung eines Thrillers besitzt, so differenziert inszeniert, dass Piggy fast schon als Psychostudie durchgeht. Wenn dieser Teenager zur Rache schreitet, dann ist sie sich der Schlechtigkeit ihres Tuns – oder vielmehr Unterlassens – jeden Augenblick bewusst. Die Figur von Saras sinistrem Partner in crime scheint so als Verkörperung ihres dunklen Ichs, ohne dass die Handlung je ihre Bodenhaftung mit dem sozialen Umfeld verlöre. Das klassische 4:3-Format, in dem hier gedreht wurde, akzentuiert die Enge von Saras familiärem Milieu auch optisch. Dazu kommen Momente subtilen schwarzen Humors: Einem Schnitt in einen Menschenhals folgt die Zerlegung einer Wassermelone, einer Masturbationsszene schaut eine Madonnenfigur wie vorwurfsvoll von der Wand zu und ein entlaufender Stier sorgt für einen abrupten Halt.

Die Darsteller agieren makellos. Vor allem Laura Galán macht die seelischen Nöte der zur Täterin gewordenen Opferfigur in jedem Moment glaubhaft und Carmen Machi vermeidet als ihre Mutter alle einschlägigen Hausdrachen-Klischees. Und dies gilt auch für den ganzen Film: Noch die letzten Schüsse, die hier fallen, führen in die Irre. Wie sagte einst eine andere Miss Piggy? „Ich bin wie ich bin. Lerne das zu akzeptieren.“