Filmische Adaption der in Schweden ungemein populären Romanvorlage um die skurril-kauzigen Bewohner eines abgelegenen Dorfes.
Pajala gehört nicht zu Schweden. Davon sind die Freunde Matti und Niila schon überzeugt, als sie noch gemeinsam die Volksschulbank drücken. Dieser Winkel im nördlichsten Nordschweden, an der Grenze zu Finnland, müsste dem Gefühl nach außerhalb jeder offiziellen Kartografie liegen. Ein gottvergessener Landstrich, auf dem puritanische Väter ihre Buben mit Lederriemen züchtigen, auf dem Männerfehden in Sauf- oder Saunaschwitzbewerben ausgetragen werden, und der mit dem Bild der Roaring Sixties und Seventies, wie es das Fernsehen den Heranwachsenden vermittelt, so gar nichts gemein hat.
Populärmusik aus Vittula ist ein Film der vielen Sprünge, von einer Absurdität geht es in szenischen Vignetten zur nächsten, atemlos, als hätte Regisseur Reza Bagher Angst, sein Publikum unterwegs zu verlieren. Nach einem kurzen Flash-Forward in die Jetztzeit, setzt uns die Dramaturgie in den 60er Jahren ab, im ambitioniert ausgestatteten dörflichen Vittula, wo sich alsbald eine Typenpalette auftut: Der transsexuelle Landstreicher, die saufenden Elchjäger, die furchteinflößenden Mannweiber, und, und, und. Man befindet sich in einer jener Kauz-Enklaven, wie sie das kunstgewerbliche Kino in den letzten Jahren liebt.
Fast macht es einen traurig, denn hier wird dem Kinopublikum geliefert, was ihm in Zeiten der Globalisierung abgehen mag: ein spezifischer Ort, mit spezifischen Eigenschaften. Ein museales Soziotop zum Einfühlen, Mitfühlen, Gemeinschaft-Werden. 100 Minuten lang. Der Kinofilm, in Abwandlung der Freud’schen Traumauslegung, als Erfüllung eines unbewussten Wunsches. So gelesen erhält der Titel, „Populärmusik aus Vittula“ eine neue Konnotation, ist doch die Frei-Haus-Lieferung räumlicher Utopien angestammtes Metier des Schlagers („Die Fischer von Capri“).
Betrachtet man Filmemachen als eine Industrie, die Angebot und Nachfrage in zyklischen Schüben bedient, wäre Populärmusik aus Vittula, entstanden 2004, wenige Jahre nach dem von der internationalen Presse ausgerufenen schwedischen Filmwunder eine Art Spätausläufer. Der Motive wie die jugendliche Landdepression aus Fucking Åmål, die Retro-Atmosphäre aus Tillsammans oder den klamaukigen Grundton aus Jalla! Jalla! aufgreift und mit dieser Rezeptur bei seinem nachgeschobenen Deutschland- und Österreichstart tatsächlich, und am Ende ohne zu lügen, verkünden kann: Der erfolgreichste schwedische Film seit Jahren.