ray Filmmagazin » Dokumentarfilm » Private Revolutions – Jung, Weiblich, Ägyptisch

Filmkritik

Private Revolutions – Jung, Weiblich, Ägyptisch

| Andreas Ungerböck |
Spannender, dichter Dokumentarfilm über vier ägyptische Frauen

An diesem Film von Alexandra Schneider ist vieles klug gedacht und beeindruckend umgesetzt: Das beginnt beim Titel, der gar nicht erst suggeriert, der Film befasse sich in erster Linie mit der sogenannten „ägyptischen Revolution“. Das tut er zwar auch, aber es geht in erster Linie um vier Frauen, deren Leben davon zwar betroffen ist – aber nicht in gleichem Maße. Tatsächlich ist die aktuelle Lebenssituation der vier Protagonistinnen sehr unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen „nur“, dass sie allesamt gebildet sind und sich sehr gut artikulieren können – ein wohltuender Kontrast zum Klischee, Frauen in islamischen Ländern seien per se zu keinen eigenen Gedanken fähig.

Im Gegenteil: Sharbat Abdullah wird sich im Laufe des Films von ihrem etwas unbedarften Mann scheiden lassen – keine einfache Sache, zumal Scheidungen zwar gang und gäbe, aber immer noch nicht gesellschaftlich sanktioniert sind, wenn sie von Frauen betrieben werden. Dass Sharbats Ehemann nicht aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen will, ist eine tragikomische Begleiterscheinung. Stichwort Scheidung: Amani Eltunsi, die auch einen kleinen Radiosender für Frauen und frauenorientierte Themen betreibt, hat ein Buch zu dem Thema geschrieben; die Buchpräsentation ist ein Höhepunkt des Films – ebenso wie eine kurze Diskussion, die sie mit zwei jungen Frauen zum Thema weibliche Beschneidung führt.

Die Beschränkung auf vier Schicksale erlaubt der Filme-
macherin, die selten im Bild, aber ständig aufmerksam ist, wie gelegentliche pointierte Zwischenfragen beweisen, eine wirklich
substanzielle Beschäftigung mit dem Leben von Sharbat Abdullah, Fatema Abouzeid, Amani Eltunsi und May Gah Allah, von denen Letztere vielleicht am meisten beeindruckt: eine junge, moderne Frau, die sich in einem besonders konservativen Umfeld bewegt und sich für die Selbstermächtigung der stark bedrängten nubischen Minderheit, der sie selbst angehört, einsetzt. In exzellentem Englisch berichtet sie von Behördenschikanen und von der Mühsal, in der Community selbst, die im Zuge der fortschreitenden Arabisierung droht, ihre Sprache und ihre Wurzeln zu verlieren, zu bestehen.

Ebenso eloquent ist Fatema Abouzeid, die ihr Politologie-Studium mit Auszeichnung absolviert und sich vor der Präsidentenwahl 2012 im Kampagnenbüro von Mohammed Mursi und der Moslembrüderschaft, der auch ihr Vater prominent angehört, engagiert. Dass sie eines Tages ankündigt, ihre Arbeitgeber würden gerne noch einmal den Vertrag mit der Filmemacherin lesen und dass sie letztlich aus dem Film „verschwindet“, sagt mehr als tausend Worte. Der Wirkung dieses hervorragenden, fast ausschließlich von und mit Frauen hergestellten Films tut dies keinen Abbruch.