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Projekt Ballhausplatz

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Projekt Ballhausplatz

| Ania Gleich |
Dekonstruktion des Kurz-Komplex

Vom Geilomobil bis Peter Thiel: Sebastian Kurz’ Aufstieg passierte ebenso spektakulär wie später sein Rückzug. Vor zwei Jahren noch Bundeskanzler, werkelt der Ex-ÖVP-Chef jetzt eingesalbt vom Silicon Valley in der Privatwirtschaft. Eine Rückkehr in die Politik schließe er aus. Und das scheint verständlich: Jemand, der mit solchem Stolz seine Unschuldsvermutung vor sich hertrug, kann schwer dorthin zurückkehren, wo sein Nest beschmutzt wurde. Kurt Langbeins Projekt Ballhausplatz zeigt in erschreckender Weise auf, wie knapp Österreich an einer Staats-Orbanisierung vorbeigeschrammt ist und wie die türkise ÖVP das Korruptionssystem perfektionierte.

Wenn in den letzten sechs Jahren jemand aus dem Ausland nach der österreichischen Politik fragte, waren die Antworten oft wirr und wenig eindeutig. Nach einem jahrzehntelangen Hickhack von Konservativen und Sozialdemokraten an der Koalitionsspitze, grätschte Kurz’ Reframing der ÖVP in ein Vakuum, das leicht aufzuwühlen war. Das „Projekt Ballhausplatz“ oder „Projekt BPO“ (Bundespartei-Obmann) war das System dahinter, das den einstigen JVP-Vorsitzenden geradezu zum Heiland der Nation stilisierte. Zumindest staunte man nicht schlecht, als rund 10.000 Kurz-Anhänger 2017 die Stadthalle zum Wahlkampfauftakt füllten. Aber wer diesen Auftritt zu diesem Zeitpunkt mit einem Scooter-Konzert verwechselte, der würde in den nächsten Jahren bitter überrascht werden. Gut, wir alle kennen die Geschichte: Zwischen Ibizapeinlichkeiten und Schredderpartys, fiel es zum Schluss fast jedem – egal welcher politischen Ausrichtung – schwer, den Überblick zu behalten. Wo zu alledem noch eine Pandemie dazwischenquatschte. Doch was Kurt Langbeins Projekt Ballhausplatz so eindrücklich macht, ist nicht das, was wir „eh schon“ wissen, sondern dass das, was wir vermeintlich wissen, im Rückblick so banal wie ruchlos erscheint.

Dass Langbein damit Mechanismen aufzeigt, die historisch und aktuell-politisch gang und gäbe sind, gibt zu denken. Von Johann Gudenus bis Matthias Strolz lässt Langbein dafür eine breite Palette von Personen zu Wort kommen und unterfüttert das Ganze mit inzwischen beinahe zeitgeschichtlichen Dokumenten der Kurz’schen Inszenierungskunst. Wie hier bei aller versuchten Vertuschung und Message Control gerade der Zufall schlussendlich die Blase zum Platzen bringen konnte, zeigt nur auf, wie fehleranfällig die Thomas Schmids und Gernot Blümls unserer Nation wirklich sind. Aber vielleicht auch nur so groß, dass sie in den Kinderwagen passen.