QUEER Film

Filmstart

Queer

| Alexandra Seitz |
Luca Guadagninos Adaption von William S. Burroughs’ autobiografischem Roman

William Lee ist ein schon etwas in die Jahre gekommener schwuler Mann mit vielfältigen (Sehn-)Süchten, der in Mexiko lebt, weil es dort für Männer seiner Art in vielfacher Hinsicht „einfacher“ ist. In dem Sinne, dass er sich als vergleichsweise wohlhabender US-Amerikaner mancherlei kaufen kann, wofür er in der Heimat in den Knast wandern würde. Liebe gehört nicht dazu. Auch nicht Zärtlichkeit und Wärme. Wovon William aber in seinen allergeheimsten Geheimträumen träumt, auch wenn er sich das nicht eingestehen mag. Stattdessen gibt er sich meist recht abgeklärt, um nicht zu sagen zynisch – bis er des jungen Eugene Allerton ansichtig wird, Expat wie er, und es mit dem ersten Blick um ihn geschehen ist. Schon macht er sich zu einem alten Narren, und der Junge lässt sich das einmal gefallen und dann wieder nicht. Dabei entwickelt sich ein kompliziertes Verhältnis zwischen Käuflichkeit und Verdrängung, in dessen Zentrum eine wahre, tiefe Liebe um ihre Verwirklichung kämpft und bangt.

Wie man weiß, ist William S. Burroughs einsam gestorben. Von dem ist hier nämlich die Rede; der angesagte Filmemacher, Produzent und Autor Luca Guadagnino adaptiert mit Queer dessen gleichnamigen, zu Beginn der Fünfziger geschriebenen, autobiografischen Roman und Daniel Craig in der Rolle des ikonischen Schriftstellers, Heroinsüchtigen, Ehefrauenmörders und Beat-Chronisten gibt alles, um seiner Figur gerecht zu werden. Er zieht sich und sie aus bis aufs rohe Fleisch, bis nur noch jener Kern aus Verzweiflung und Einsamkeit da steht, der Schmerz, der so dringlich betäubt werden muss: In einer einzigen fließenden Bewegung setzt Lee/Craig sich einen Schuss, nimmt einen Schluck aus der Flasche, inhaliert tief den Zigarettenrauch, starrt in die mondhelle Nacht. Der Film kommt im Bewusstsein des Abgrunds zum Stillstand und eigentlich ist alles gesagt beziehungsweise gezeigt respektive gefühlt. Aber Guadagnino mag es opulent und Burroughs’ Literatur handelt bekanntlich immer auch vom Inneren des Rauschs – und ab geht es in den Dschungel, um bewusstseinserweiternden Unfug mit den dort wachsenden Pflanzen zu treiben. Bei welcher Gelegenheit auch der Film etwas die Fasson verliert.

Der ausgestellten Historienfilm-Künstlichkeit der Sets von Queer ist anzusehen, dass Guadagnino sich Querelle bewusst ist, Rainer Werner Fassbinders letztem Film und Adaption des gleichnamigen Romans von Jean Genet, einer anderen Schwulenikone. Wie in Querelle überrascht auch Queer in Gast- und Nebenrollen mit viel Darsteller-Prominenz. Gegen Craigs fulminantes Frei-Spiel-Solo kommen sie nicht an.