Wuchtiges, aber nie sentimentales Drama über die Hintergründe des Massakers von Srebrenica
Die bosnische Regisseurin Jasmila Žbanić hat mehrfach bekräftigt, dass es ihr lieber gewesen wäre, jemand anderer hätte einen Film über die Hintergründe des Massakers von Srebrenica gemacht und dass sie diesem Stoff jahrelang aus dem Weg gegangen sei. Offensichtlich war jetzt doch die Zeit reif, das Ergebnis ist ein beklemmender und berührender Film über den Kampf einer Frau um das Leben ihrer Söhne und ihres Mannes, in dem auch das Versagen der UN-Truppen unter die Lupe genommen wird.
Als Hauptfigur wählte die Regisseurin wohl nicht zufällig eine Dolmetscherin, die schon kraft ihres Amtes zwischen den Stühlen steht. Sie selbst hat mit ihrem UN-Badge nichts zu befürchten, während tausende Zivilisten vor und in dem Camp um ihr Leben bangen. Die serbischen Truppen unter General Radko Mladic´ haben Srebrenica eingenommen und trotz der Beteuerungen, dass niemandem etwas geschieht, der in die Busse steigt, die die Männer und Frauen bzw. Kinder getrennt in eine sichere Stadt transportieren sollen, ist den niederländisch dominierten UN-Truppen und auch Aida schnell klar, dass nicht alle vor der Rache der Serben sicher sind. Obwohl man als Zuschauer weiß, in welcher Katastrophe das endet, bleibt Quo Vadis, Aida? ungemein spannend, weil Aida durch Schmeicheln, Betteln, Drohen und Tatkraft alles daran setzt, ihren männliche Angehörigen einen Platz auf der sicheren UN-Liste zu ermöglichen, und man nicht weiß, wer überleben wird.
Wie in einer griechischen Tragödie nimmt das Unvermeidliche seinen Lauf, nur ist es keineswegs das Schicksal, das dieses Massaker erzwingt, sondern die völlige Fehleinschätzung der Lage durch die UN-Führungsspitze, die wirkungslose Appeasement-Politik, wenn etwa angedrohte Luftschläge nicht durchgeführt werden, und die verständliche Angst der UN-Truppen vor Ort um das eigene Leben. Der Regisseurin gelingt ein dichtes, vielschichtiges und trotz des starken Fokus auf die persönliche Geschichte Aidas auch erstaunlich unsentimentales Drama, das bis auf eine unnötige Rückblende und einen wichtigen Epilog, der zeigt, dass viele Täter ungeschoren davon gekommen sind, die Einheit von Zeit und Ort meisterhaft wahrt. Die bewegliche, aber nie aufdringliche Kameraarbeit von Christine A. Maier (siehe Interview in „ray“ 03/21) sorgt dafür, dass der auf wahren Begebenheiten beruhende Film trotz ausgeklügelter Dramaturgie immer authentisch wirkt. Der Oscar-nominierte Quo Vadis, Aida? steht auf Seiten der Opfer, die Sicht der Täter kommt nur rudimentär vor. Ein Ansatz, den Peter Handke vielleicht ablehnen würde, der aber hier angemessen erscheint.