ray Filmmagazin » Themen » Raumnovelle
katrina-daschner
Beitragsbild: Katrina Daschner, Installationsansicht. Im Vordergrund: Sister Siren (lila) und Sister Siren (silbergrau), im Hintergrund: Lesbian Teletentakel #2, alle 2022. Courtesy die Künstlerin, Foto: Kunsthalle Wien

Ausstellung | Katrina Daschner

Raumnovelle

| Daniela Gregori |
Arbeiten von Katrina Daschner in der Kunsthalle Wien.

Früher war mehr Lametta. Zumindest möchte man dies angesichts von Golden Shadow, dem neuen Film von Katrina Daschner, meinen. Ursprünglich sollte das ein Spielfilm werden, bis die Künstlerin für sich erkennen musste, dass dies nicht ihre Art des Filmemachens ist und sie wieder zurückgekehrt ist zu einem fragmentierten, gedichtartigen Erzählen in Bildern. Dennoch ist Golden Shadow nun ungefähr doppelt so lang und exakt doppelt so breit wie die Vorgängerfilme geworden. Dieses Mal sollte es etwas „Cinemascopisches“ werden, schwebte Daschner vor: einmal die ganze Breite ausnutzen, im Kino ebenso wie im Ausstellungsraum. Erzielt wird das Ergebnis über eine Doppelprojektion, die zu einem Ganzen verwächst. Aus einer anfänglichen Naturbetrachtung nahe am Wasser entwickelt Golden Shadow in weiterer Folge die Qualitäten eines nächtlichen Roadmovies mit Exkursionen in die Unterwasserwelt. Schon in ihren früheren Filmen gab es das Fließende, Schwebende, Perlende, jedoch war dies weniger eingebettet in Nocturnen, eher in queeren Inszenierungen, bisweilen materialintensiv, oftmals erotisch aufgeladen und immer wieder somnambul traumverhangen.

Womöglich erinnert man sich diesbezüglich an das letzte Jahrzehnt, in dem die Künstlerin bei der Diagonale in Graz und den Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen über acht Jahre hinweg einen Film der Serie „Hiding the Lights“ präsentiert hat. Das Langzeitprojekt war von Anfang an als Serie gedacht und als Filmoper konzipiert gewesen, „nicht mit einer speziellen Komposition, eher auf visueller Ebene“, wie die 1973 in Hamburg geborene und seit längerem in Wien lebende Künstlerin konkretisiert. Basierend auf Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ offenbaren die einzelnen Kurzfilme die unterschiedlichsten Begehrensräume und queere Begehrensstrukturen und Phantasien, die untereinander in Verbindung gesetzt werden können. Lokalisieren lassen sich die optisch opulenten Szenarien und traumhaften Sequenzen voller Glitzer, Flimmer und Flitter im Umfeld von Varieté, Revue oder Zirkus. In jeden dieser Filme kann man jederzeit einsteigen, sie folgen keiner linearen Struktur, keinem Narrativ im herkömmlichen Sinne, vielmehr verstehen sie sich als Gedankenräume, die verschieden betretbar oder als Einstellungen, die unterschiedlichst assoziierbar sind. Die Tatsache, dass die Filme ohne klar definierten Anfang oder Ende als Loop funktionieren, prädestiniert sie für die Rezeption im Kino wie im Kontext einer Ausstellung gleichermaßen.

Den vollständigen Artikel lesen Sie in unserer Printausgabe 07+08/22

Die acht Filme unter dem Thema der „Traumnovelle“ verbindet zum einen die Nivellierung der Hierarchien zwischen den Darstellenden und der Materialität von Objekten und deren Umfeld, seien es nun artifizielle Kulissen, bestehende Architekturen oder ursprüngliche Landschaften. Exakt choreografierte performative Sequenzen treffen hier auf die haptischen Qualitäten von unterschiedlicher organischer und anorganischer Stofflichkeit. Körperfalten und Bewegungsabläufe finden in fein inszenierten Schnittfolgen ihre Analogien in Architektur und Natur. Das Nicht-Lebendige scheint sich in diesem egalitären Umgang der Motive zu verlebendigen, während die Performerinnen in ihrer Reduktion von Emotion und individueller Motorik nachgerade skulpturale Qualitäten erlangen.

Der andere Aspekt, der neben der filmimmanenten Nivellierung der Bedeutung von Mensch und Material in den Fokus des cineastischen Reigens um die „Traumnovelle“ rückt, ist die Verbindung, die zum Publikum hergestellt wird. Immer wieder fällt der Blick auf leere Ränge in der Manege, auf Reihen hochgeklappter Sessel, auf weich gepolsterte Möbel im Zuschauerraum, allesamt Publikumsarchitekturen en gros & en detail. „Obwohl es immer hieß, es ginge – auch entgegen einer Musealisierung – um den Live-Moment und das gemeinsame Erleben, hat es mich dann doch erstaunt, wie wenig in der Performance-Kunst der sechziger und siebziger Jahre das anwesende Publikum dokumentiert wurde“, erklärt die Künstlerin, die Publikumsarchitektur ebenso als Träger von Emotionen versteht wie auch als Einladung, mit dem Betrachten des Films gleichsam diese leeren Plätze zu besetzten.

Wenngleich mit Pferdebusen, Perlenmeere und Pomp lediglich drei Filme aus dem Zyklus um die „Traumnovelle“ vertreten sind, wird mit dem Besuch von der von Övül Ö. Durmus¸ogˇlu kuratierten Ausstellung „Burn & Gloom! Glow & Moon! Thousand Years of Troubled Genders“ in der Wiener Kunsthalle, in deren Zentrum Golden Shadow nun seine Premiere feiert, deutlich, wie sehr einzelne Aspekte, Artikulationen und Artefakte miteinander verbunden sind. Es ist dies weniger eine retrospektive Inszenzierung als ein Konzentrat dessen, was die Künstlerin in ihrem Denken und dessen Umsetzung die letzten zwei Jahrzehnte beschäftigt hat. Einer der roten Fäden der Ausstellung ist ganz buchstäblich das Textile in der Arbeit von Katrina Daschner, das Teil der Ausstellung wie auch des neuen Filmes ist. Der Eintritt durch eine Vagina Dentata, Sitzgelegenheiten, die an die Begrenzung von Zirkusmanegen erinnern, ein Wallpaper aus einem Filmstill als Hintergrund für frühe Collagen, immer wieder trifft man auf Versatzstücke, die man aus den Filmen des letzten Jahrzehntes kennt. Im Raum bewegt man sich auf schwarzem Teppich- und verspiegeltem Tanzboden, bei dem jeder Schritt zum Auftritt in den Filmen wird, die vom glatten Terrain reflektiert werden. Es ist, als wäre bei der Gesamtkonzeption der Ausstellung die „Traumnovelle“ zur Raumnovelle geworden. Die Spiegelungen fungieren ebenso als einzige Raumbeleuchtung, die Beschallung erfolgt über den Ton von Golden Shadow, jede der Arbeiten funktioniert für sich, zusammen werden sie, ebenso sorgfältig wie lapidar und selbstverständlich wirkend, gleichsam en passant zu einem fein inszenierten Ganzen. Hut ab, Manege frei, auch so kann Film in Ausstellungen funktionieren.