Nach dem großen Kinderfilmspaß „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ nun der sehnlichst erwartete, aber nicht ganz so gelungene Nachfolger.
Sequels haben es nicht leicht. Der Ursprungsfilm war typischerweise erfolgreich, sonst würde es keinen Nachfolger geben. Für den Nachfolger fungiert er als meist nicht einzuholender Maßstab. Rico, Oskar und das Herzgebreche hat es besonders arg getroffen. Er folgt auf einen der schönsten deutschsprachigen Kinderfilme der letzten Jahre. Der erste Teil, Rico, Oskar und die Tieferschatten, vermengte eine spannend erzählte Entführungsgeschichte mit unpeinlichem Sozialrealismus und erlaubte sich eine seltene Direktheit in der Verbildlichung von kindlicher Traurigkeit wie auch der Inszenierung von gescheiterten erwachsenen Existenzen. Die Geschichte von zwei Berliner Jungen, der eine tief-, der andere hochbegabt und beide nicht sehr glücklich mit der Welt, erzählte Regisseurin Neele Vollmar, ohne dabei in bleiernem Ernst zu versacken. Ihr Film war, wie die Romanvorlage Andreas Steinhöfels auch, von einem lebenszugewandten Witz beseelt. Rico, Oskar und das Herzgebreche knüpft an, wo der erste Teil aufhört und wäre ohne die Tieferschatten im Nacken ein schöner Spaß gewesen. Wenn man aber den Vorläufer kennt, nimmt man vor allem wahr, was nun in Schieflage geraten ist. Es sind ziemlich genau die Aspekte, die die Tieferschatten zu einem der berührendsten und komischsten Kinderfilme der letzten Jahre gemacht haben.
Am Plot liegt es nicht, der hält sich – vom letzten Akt abgesehen – eng an die literarische Vorlage. Rico und Oskar (wieder großartig gespielt von Anton Petzold und Juri Winkler) müssen einer Bingo-Moderatorin (Katharina Thalbach) und ihrem dämlichen Sohn, dem Nachtclub-Besitzer Boris (ein schielender Moritz Bleibtreu mit imposanter Vokuhila), das Handwerk legen. Wesentlich anderes als eine unterhaltsame Kinderdetektiv-Erzählung ist dieses Mal aber nicht drin. Vollmar hatte im ersten Teil wunderbare Bilder für die Innenwelt der Protagonisten gefunden. Was die Jungen in den Romanen noch umtreibt – die Vaterlosigkeit, die emotionale Verkorkstheit der Erwachsenen generell – wird hier zwar pflichtbewusst in den Dialogen angetippt, es will aber kein Gefühl dafür entstehen, worum es in den Geschichten Steinhöfels immer auch geht: die Rico/Oskar-Bücher haben zwei Figuren zu plausiblen Helden werden lassen, die auf vielen Schulhöfen in die Kategorie „Opfer“ fallen würden.
Neele Vollmar hatte eine sehr vergnügliche und genau beobachtete Außenseiter-Ballade geschaffen. Rico, Oskar und das Herzgebreche setzt dagegen vor allem auf die Jux-Karte. Die ursprünglich noch sanft überzeichneten Berliner Originale sind nun zu Zerrfiguren geworden, die erwachsenen Zuschauern in ihrer hervorgekehrten Bollehaftigkeit vermutlich schnell auf die Nerven gehen. Alles nicht schlimm, und, wie gesagt, Spaß macht der Film trotzdem. Nur wäre halt viel, viel mehr dringewesen.