Verquastes Drama, in dem auf männlichen Gebärneid eine antiquierte Antwort gegeben wird
Dass Mousse ein Kind von Louis erwartet, erfährt sie im denkbar ungünstigsten Moment, nämlich, als sie nach einer Überdosis im Krankenhaus aufwacht; einer Überdosis, die Louis nicht überlebt hat. Bei Louis’ Beerdigung legt dessen wohlhabende Mutter der mittlerweile Methadon-substituierten Mousse eine Abtreibung nahe. Die jedoch, befremdet und irritiert, zieht sich in ein Haus am Meer zurück, das Vermächtnis des toten Geliebten im Bauch, unscharfe Gedanken im Kopf und unklare Gefühle im Herzen. Bis eines Tages Louis’ schwuler Bruder Paul zu Besuch kommt und ein paar Tage bleibt und alles noch viel komplizierter wird. Im distanzierten Austausch der beiden „irgendwie“ Verwandten geraten Erwartungen an Rollen und Geschlechter in Bewegung, findet sich schließlich eine ungewöhnliche Lösung für Mousses Dilemma.
Die Hauptfigur in François Ozons Le Refuge ist eine nach außen eher übellaunig wirkende, ein wenig ruppige Frau. Keine strahlende Schwangere, kein beseeltes Werbebild für Mutterglück und Fürsorge. Sie hat die pragmatische Entscheidung getroffen, das Erbe ihres Liebsten auszutragen. Das bedeutet aber eben nicht, dieses Erbe auch zu lieben wie ihren Liebsten. Distanziert besieht sich Mousse ihren anschwellenden Bauch, flieht vor den Begeisterungsbekundungen anderer, lässt das in ihr werdende Leben nicht wirklich an sich heran.
Ozon, der nach eigenem Bekunden „seit Ewigkeiten davon träumt, einen Film mit einer wirklich schwangeren Schauspielerin zu machen“, konnte die zu jener Zeit ihr erstes Kind erwartende Isabelle Carré für diese schwierige Rolle gewinnen. Schwierig, weil Carré, so wieder Ozon, „Szenen spielen musste, die konträr zu ihren eigenen Schwangerschaftserfahrungen standen“.
Etwas ausbeuterisch will es einem denn auch scheinen, das Verhältnis zwischen Regisseur, Schauspielerin und Ungeborenem; zumal lange nicht klar wird, welchen Gedanken Ozon mit Le Refuge eigentlich ausdrücken will. Während er auf der Inhaltsebene den Mutterinstinkt entmystifiziert, mystifiziert er auf der Bildebene den Mutterkörper. Schließlich aber erhält dieses Verfahren der Enteignung doch noch seine Begründung: Mousse dient Ozon als Sinnbild männlicher Selbstermächtigung, er zeigt die Mutter als Durchlaufstation, die das Kind vom Mann empfängt und an den Mann weiterreicht. Man kann diesen Vorschlag zur Überwindung des Gebärneids durchaus ein wenig überholt finden.