Selbstreflexion am Südpol
Kein ewiges Eis. Keine Gletscher. Kein Schnee. Erstmal nur Wind, Berge, Feuerland. Ein Kondor segelt majestätisch durch die Lüfte. Von Pinguinen keine Spur. Luc Jacquet setzt diesmal früher an. In eindrucksvollen monochromen Bildern und mit nachdenklicher Stimme beschreibt er zu Beginn seines Films den Denkprozess, der hinter seiner erneuten Reise zum Südpol steht.
Vor 30 Jahren war er zum ersten Mal dort. Sein oscarprämierter Film Die Reise der Pinguine (2005) ist ein großer Klassiker unter den Tierdokumentationen; 2017 legte er eine Fortsetzung nach. Seine Faszination für die Heimat und das Leben der Kaiserpinguine hat bis heute nicht nachgelassen. Er ist nach wie vor ein Liebhaber großer Weiten, ein begeisterter Erkunder der unberührten Natur. Aber es scheint, als hätte sich sein Blickwinkel verschoben, mehr nach innen, als handele es sich bei seiner Rückkehr zum Land der Pinguine in erster Linie um ein Selbstporträt.
Tatsächlich braucht der Film eine gute halbe Stunde, bis Jacquet schließlich die Antarktis erreicht. Eine bestimmte Route über die südamerikanischen Anden sei ihm am liebsten, erklärt er aus dem Off, während man ihn langsam durch die von Stürmen und Unwettern geformten Landschaften steigen sieht. Bei einem Zwischenstopp in den Bergen des Torres del Paine in Patagonien findet er, wo einmal ein dichter Wald gestanden hat, nur noch verbrannte Baumstümpfe vor.
Mit den Pinguinen kommen gleichzeitig die anderen Bewohner des kältesten Kontinents der Erde ins Spiel. Einmal spaziert Jacquet an einer friedlich im Schlaf seufzenden Robbe vorbei. Manchmal taucht die Kamera ab und fängt außergewöhnliche Unterwasseraufnahmen von Blau-walen und Seeleoparden ein. „Wie beruhigend es ist, unter Tieren zu leben, ohne ihnen Angst zu machen“, bemerkt er. Im Hintergrund hört man das Geschnatter der Pinguine. Sie sind geschwätzig wie eh und je.
Jacquet tut es ihnen gleich und redet viel, vor allem über sich selbst. In einer losen Aneinanderreihung von Gedanken und Beobachtungen, die er mit ruhiger Erzählstimme vorträgt, reflektiert er mal direkt, mal verschlüsselt über sein Leben, den Klimawandel, den Lauf der Zeit. Man muss dabei unweigerlich an Werner Herzog denken, der die Wunder der Natur wie kein Zweiter auch philosophisch und immer mit einer Prise Humor zu kommentieren versteht. Jacquet gelingt es nicht ganz so gut. Er wirkt ernst, melancholisch und gelegentlich etwas behäbig. Aber die oft mit Drohnen gefilmten Bilder in kontrastreichem Schwarz-Weiß sorgen dennoch dafür, dass man bis zum Ende gespannt bleibt, was der unermüdliche Abenteurer sich selbst und allen anderen zu zeigen und zu sagen hat.