… eine Literaturverfilmung der selbstbewusst wirklich ungemein anderen Art
Weit mehr als „nur“ Schriftstellerin, ist Stefanie Sargnagel aus dem deutschsprachigen Kulturbetrieb nicht mehr wegzudenken. Hier spielt sie sich primär in ihrem Alltag der Autorin, die fristgerecht ein Buchkapitel abliefern muss, Lesereisen absolviert, brav mit Fans für Selfies posiert, mit Niedertracht und Hass im Netz konfrontiert ist und Schulklassen Schreib-Inputs gibt – und dazwischen das Stammbeisl so wenig wie möglich vernachlässigt. Verfolgt wird sie dabei auf Schritt und Tritt von einem Kamerateam, das auch den einen oder anderen vielsagenden Blick in bester Fleabag-Manier ermöglicht, denn, so die große Meta-Klammer: Sargnagels Buch „Fitness“ soll verfilmt werden und die Produktion setzt alles daran, ihre Lebenswelt hautnah zu recherchieren. Bald schon gibt es Streit, das Personal-Karussell dreht sich: Die Förderstelle will, dass Sargnagel sich selbst mimt, sehr zum Missfallen von Hilde Dalik, die in der Rolle eine große Chance wittert. Regisseur wird auf einmal doch ihr Partner Michael Ostrowski, dessen Ziel ganz, ganz großes Kino ist. Weiteres Chaos ist garantiert, vor allem als Sargnagel dem Trubel kurzerhand entflieht.
Das Verschwimmen von Fiktion und Realität zeigt sich ja oft als heikle Liebesbeziehung, die schnell nervtötend schiefgehen kann. Umso bemerkenswerter, wie Sabine Hiebler und Gerhard Ertl, die zehn Jahre nach Karl Merkatz nun ein neues, jüngeres, doch nicht minder originäres Wiener Original inszenieren, und ihrer Protagonistin ein absolut kurzweiliger Genre-Mutant gelingt: Künstlerin-Porträt, Pseudo-Doku, Kulturbubble-Satire, politisches Sittenbild, schwarze Komödie, Sketch-Comedy, alles ist dabei. Funktionieren kann das nur, weil alle Beteiligten sehr enthemmt und frei wirken.
Sargnagel übersetzt ihr Text-und-Lese-Charisma mühelos in Schauspiel, Dalik, die mindestens zwei Figuren spielt, und vor allem Ostrowski lassen sich in die völlige Überzeichnung gehen und genießen es, ihre eigene Zunft humoristisch zu zermalmen, die Wiener Kulturstadträtin punktet in einer Minirolle, alle haben sichtlich Spaß und machen ihn deshalb auch. Erzählt wird alles und nichts, die Story in der Story ist zwar ein einfacher Griff in die Trickkiste, nimmt sich aber nicht zu ernst. So ist Sargnagel – Der Film weder Selbstbeweihräucherung noch seelenloses Marketing-Kalkül, sondern ein leichtfüßiger Anti-Film mit Anti-Starlet und dem Potenzial zum sommerlichen Überraschungshit, der prüden Traditionalistinnen und Traditionalisten sowie rechten Internet-Trolls ein Dorn im Kinoprogramm sein wird.