Beklemmender Politthriller über ein syrisches Flüchtlingsschicksal
Etwas Quälendes haftet diesem jungen Mann an. Erkennbar nicht nur in seinem düsteren, schmerzerfüllten Blick, nein, in der ganzen Statur. Ein schweres Trauma sitzt Hamid (Adam Bessa) im verkrampften Nacken, ist sein ständiger Begleiter, auch in Freiheit, genauer gesagt: in Straßbourg, wo er jetzt lebt. 2015 ist der ursprünglich aus Aleppo stammende Familienvater durch die syrische Wüste vor dem Assad-Regime geflohen. Das war vor zwei Jahren, mittlerweile sollte er längst in Deutschland sein. Aber Hamid geht es nicht um einen Neuanfang. Seit seine Frau und Tochter tot sind, ist er ein ewig Getriebener, wie besessen allein von einer Mission: den Mann zu finden, der ihn und unzählige Mitinsassen im berüchtigten Sednaya-Gefängnis auf brutalste Weise gefoltert hat. Um seinem Ziel näher zu kommen, hat Hamid sich einem geheim agierenden Netzwerk syrischer Flüchtlinge angeschlossen, das den schlimmsten Kriegsverbrechern der Diktatur auf der Spur ist. Seine Mutter, die in einem libyschen Flüchtlingslager ausharrt, ahnt von all dem nichts. Auch den französischen Behörden erzählt Hamid, was nötig ist, damit er nicht abgeschoben wird. Denn schon bald glaubt er, seinen Peiniger in einem Mann namens Hassan gefunden zu haben. Die Jagd scheint zu Ende – doch was kommt nun?
Mehr als die Frage nach Vergeltung beschäftigt Regisseur Jonathan Millet, wie genau Hamid seinen Feind und dessen Umgebung wahrnimmt. Schattenjäger ist sowohl ein Film für als auch über die Sinne. Schmerzhaft nah bewegt sich die Kamera an ihrem Protagonisten, sodass sie seine Haut, sein Gesicht, seinen Körper beinahe zu streifen scheint. Blicke, Stimmen, selbst die kleinsten Bewegungen wirken aufgeladen mit einer subtilen Form von Energie, die fesselt und irritiert.
Der Regisseur, geschult am Dokumentarfilm, hat selbst in Aleppo gelebt. Damals hatte der Krieg zwar noch nicht begonnen, aber seine anhaltenden Freundschaften haben Millet sensibilisiert für die Erfahrungen von Migranten aus Krisengebieten. Dass jetzt mit dem Umsturz in Syrien eine neue Ära in Syrien anbricht, macht seinen Film, der auf wahren Begebenheiten beruht, nicht weniger dringlich. Im Gegenteil. Es verschafft ihm in der aktuellen Rückführungsdebatte einen umso höheren Aktualitätsgrad.
Wesentlichen Anteil daran trägt Adam Bessa, der Hamid in jeder Einstellung die Körperhaltung und Besessenheit eines einsamen Wolfes verleiht. In ihm steckt ein Mann, der so sehr von der Vergangenheit verfolgt wird, dass für ihn keine Hoffnung auf eine Zukunft in Würde möglich scheint. Egal wo, egal wie, egal wann.