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Viennale. Ein Schwerpunkt

Schönes, vermehrt

| Andreas Ungerböck |
Ruth Goubran leitet das MehrWERT Sponsoringprogramm, mit dem sich die Erste Bank stark im Kulturbereich engagiert, unter anderem als Hauptsponsor der Viennale. Seit nunmehr zehn Jahren vergibt die Bank im Rahmen des Festivals den höchst attraktiven Erste Bank MehrWERT-Filmpreis. Ein Gespräch über Kultursponsoring, über die gesellschaftliche Verantwortung großer Unternehmen und über gute Slogans.

Seit 2004 sponsert die Erste Bank die Viennale maßgeblich. Waren Sie damals schon dabei?
Ruth Goubran:
Nein, ich habe im Dezember 2008 die Leitung der Sponsoringabteilung der Erste Bank übernommen.

Das Sponsoring hat also nichts damit zu tun, dass Sie selbst früher bei der Viennale bzw. für das Gartenbaukino gearbeitet haben. Sie haben aber den MehrWERT-Filmpreis initiiert. Wie kam das?
Das hat damit zu tun, dass ich 2009 in New York den damaligen Leiter des Deutschen Hauses kennengelernt habe. Man kann das mit dem Goethe-Institut vergleichen, es werden Deutschkurse angeboten, und es gibt auch Kulturveranstaltungen. Und sie haben ein Apartment, das sie an Kooperationspartner vergeben bzw. an Künstlerinnen und Künstler. Es war das Zeitfenster Juli/August frei, und das hat er mir angeboten. Ich habe dann überlegt, was wir mit diesem Angebot machen können und bin auf die Viennale gekommen, die ja schon damals ein wichtiger Partner für uns war. Und da der österreichische Film bei der Viennale als internationalem Festival natürlich nicht die Hauptrolle spielt, haben wir beschlossen, die österreichischen Filme, die im Rahmen der Viennale laufen, mit diesem Preis zu würdigen.

War es von Anfang an klar, dass eine Jury den Preis vergibt und nicht etwa die Viennale-Leitung?
Ja, wir hatten immer eine unabhängige Jury vor Augen, und das funktioniert auch sehr gut. Und die zur Diskussion stehenden Filme sind ja sowieso immer von der Viennale kuratiert. Die Jury setzt sich aus filmaffinen Menschen zusammen, die aber auch durch ihre Profession weitere Sichtweisen und Lesarten miteinbringen. Das Besondere ist vielleicht auch, dass die Zusammensetzung der Jury auch mal über einige Jahre gleich bleibt, sodass sie auch einen größeren Überblick über das filmische Geschehen hat.

Wie hat sich denn der Preis aus Ihrer Sicht entwickelt?
Das Interessante ist ja, dass die Filmauswahl, das liegt in der Natur eines Festivals, ein Mix aus verschiedenen Genres ist. Da gibt es Spielfilme, Dokumentarfilme, Kurzfilme, Avantgarde, Experimentelles. Und diese unterschiedlichen Formate lassen sich nicht 1:1 vergleichen bzw. bewerten, das wäre auch den Filmschaffenden gegenüber nicht fair. Der Vorteil für uns ist nun, dass wir Regeln relativ spontan, je nach Filmauswahl, anpassen können. Es wird jährlich mit der Jury abgestimmt, was Sinn ergibt. So gibt es manchmal zwei Preise, und der Aufenthalt in New York wird dann geteilt, auf je einen Monat. Dass wir 2020 zwei Geldpreise vergeben mussten, liegt natürlich an Corona und daran, dass noch nicht einmal die Preisträger von 2019 in New York waren. Das staut sich leider zurück.

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Großartig an dem New-York-Preis ist ja auch, dass die Filmschaffenden ihre Arbeiten in den legendären Anthology Film Archives in der Second Avenue zeigen dürfen.
Ja, das ist ein weiterer Kooperationspartner, auf den wir auch sehr stolz sind. Die Arbeiten der Preisträgerinnen und -träger werden in dieser herausragenden Institution gezeigt, und zwar meist, je nach Portfolio natürlich, nicht nur der bei der Viennale ausgezeichnete Film, sondern unter Umständen gibt es eine ganze Werkschau.

Heuer wird zum elften Mal der Filmpreis vergeben, das heißt, es werden zehn Jahre Filmpreis gefeiert. Wie wird das Jubiläum gewürdigt?
Wir haben eine Kooperation mit dem Kino VoD Club (www.vodclub.online), und anlässlich des Jubiläums werden die Preisträgerfilme des Erste Bank MehrWERT-Filmpreises im Kino VoD Club – dem Kino für zuhause – zu streamen sein, und zwar sind sie mit Beginn der Viennale am 21. Oktober für vier Wochen online. Ausgewählte Filme werden generell verfügbar bleiben. Jeder Stream unterstützt nicht nur die mit dem MehrWERT-Filmpreis ausgezeichneten Filmschaffenden, sondern auch eines von 57 österreichischen Kinos, die zur Wahl stehen.

Sie vergeben auch den MehrWERT-Kunstpreis. Was ist das Besondere daran?
Auch der Kunstpreis hat seine Wurzeln in New York und wurde mit dem ACFNY (Austrian Cultural Forum) und dem weissen haus (Kunstverein in Wien, Anm. der Red.) entwickelt und umgesetzt. Das Besondere ist, dass diese Preise, also der Film- und der Kunstpreis, unter anderem auch eine Residency beinhalten, und nicht mit Aufgabenstellungen verbunden sind. Die Preisträgerinnen und -träger müssen nichts „liefern“, sondern sie können die Zeit nützen, um Kontakte zu knüpfen, sich zu vernetzen, sich weiterzubilden oder was auch immer. Das ist, finde ich, ein sehr schöner Mehrwert, zumal ja ein solcher Aufenthalt für die Künstlerinnen und Künstler normalerweise unbezahlbar ist.

Apropos „Mehrwert“: Was hat es mit dem Namen auf sich? Der ist ja in sich „mehr“deutig. Wer bekommt den Mehrwert?
Der Name leitet sich vom MehrWERT-Sponsoringprogramm ab. Als ich die Aufgabe übernommen habe, war es mir wichtig, eine nachvollziehbare Struktur im Sponsoring aufzubauen. Das heißt, Sponsoring nicht nach dem Gießkannenprinzip zu machen, sondern ein Konzept zu etablieren, das für die Partner einen Mehrwert schafft, und das nicht nur im monetären Sinn, sondern auch für die Gesellschaft, denn Kulturbetriebe erfüllen ja nun einmal eine gesellschaftliche Aufgabe. Es bewegt sich einfach etwas, wenn etwas ermöglicht wird und in die Welt kommt. Für uns geht auch es darum, dass neue Entwicklungen unterstützt werden, Dinge, die es sonst nicht geben würde, und wir bringen ja nicht nur Geld ein, sondern auch großes Know-How. Interessant war, dass „Mehrwert“, als wir den Begriff für uns vereinnahmt haben, gar nicht so im Umlauf war – inzwischen ist er ja allgegenwärtig.

Ganz grundsätzlich gefragt: Warum macht eine Firma Kultursponsoring, gerade „in Zeiten wie diesen“?
Das ist eine große und wichtige Frage. Gerade in großen Unternehmen, und nicht nur dort, sind solche Fragen Teil von Wertediskussionen und Wertehaltungen. Die Erste Group hat, schon aus historischen Gegebenheiten heraus, eine starke Affinität zur Kultur und ihrer Rolle in der Gesellschaft. Für eine Bank muss das auch Teil der Grundhaltung sein, denke ich. Eine gesunde Gesellschaft ist auch eine gute Basis für die Geschäftswelt, und eine Unternehmung profitiert – durchaus im finanziellen Sinn – von der Gesellschaft. Sie hat daher auch eine Verpflichtung, etwas zurückzugeben. Das sollte generell Teil von Unternehmenskultur sein, finde ich. Und „in Zeiten wie diesen“ kommt Kunst und Kultur als Vermittler von Werten und unterschiedlichen Wertehaltungen eine wichtige Rolle zu, die ich auch gerne noch weiter gestärkt sehen würde. Der digitale Schub durch Corona hat den Kunst- und Kulturbetrieben viele neue Fragen und Aufgaben gebracht und den Künstlerinnen und Künstlern viel Kopfzerbrechen. Das Publikum ist und wird dem Analogen entwöhnt, und viele kennen diese Welt gar nicht mehr. Diese Entwicklungen verändern viel und bringen neben vielleicht einigem Positiven auch viele Problematiken mit. Ich sehe das sehr kritisch. Aber das ist ein sehr großes Thema, das wahrscheinlich den Rahmen des Gespräches sprengen würde.

Das Besondere ist ja nun, dass Sie nach wie vor stark im Film engagiert sind … während andere große Unternehmen ja leider ausgestiegen sind.
Film und Kino, würde ich meinen. Wir unterstützen ja keine einzelnen Filmproduktionen, sondern Plattformen, die es ermöglichen, Film im Kino zu erleben. Und in diesen Zusammenhängen ist Vermittlung immer wichtiger. Und ja, leider ist das Sponsoren-Engagement im Kulturbereich generell rückläufig, das ist auch meine Wahrnehmung. Umso wichtiger ist es, dass man als Unternehmung dabei bleibt, und zwar mittel- und langfristig, damit die Entwicklungen, die durch das Sponsoring angestoßen sind, auch wirken können. Wir haben einen speziellen, programmatischen Zugang im Sponsoring gewählt, und es geht unter anderem auch darum, innerhalb der Kooperationen Verknüpfungen zu schaffen, auch mit dem sozialen Bereich zum Beispiel, ein Sektor, in dem wir auch stark engagiert sind.

Passt dazu auch der Slogan „Vermehrt Schönes!“, den man auf Taschen, Aufklebern usw. sehr oft in der Stadt sieht?
Ja, der kommt sehr gut an. Er ist dezent und kompatibel mit unseren Partnern, das ist wichtig, und wird von den Menschen auch goutiert. Natürlich ist es auch Ziel einer Unternehmung, dass da Sympathiewerte geschaffen werden, und das ist uns gelungen, davon bin ich überzeugt. Das liegt auch daran, dass wir nicht ständig die optische Erscheinung durcheinanderwirbeln, sondern da sehr konsistent sind, seit Jahren. Das stärkt die Botschaft und lässt den Raum für Interpretation offen. Und es war natürlich ein Glücksgriff, denn als wir begonnen haben, mit „Vermehrt Schönes!“ zu arbeiten, wussten wir zwar, dass das gut ist, aber nicht, wie gut.

Neben Film und den Festwochen sind Sie aber auch in anderen Bereichen vertreten.
Ja, wir sind in der Bildenden Kunst, mit der Secession und dem weissen haus, sehr stark vertreten, dazu kommen genreübergreifend die Wiener Festwochen und die Vienna Design Week. Es ist uns aber wichtig, nicht nur Flaggschiffe wie die Viennale oder eben die Festwochen oder die Secession im Programm zu haben, sondern darüber hinaus auch viele mittlere und kleinere Initiativen zu unterstützen, die sozusagen den Boden bereiten. Beim Film wären das Tricky Women, das dotdotdot-Sommerfestival und das Kinderfilmfestival oder auch das Filmmuseum, wo wir die Aktion Hunger auf Kunst und Kultur ermöglichen.

Und dann gibt es noch ein starkes Engagement für die Musik.
Im Musikbereich sind wir sehr breit aufgestellt. Zum einen unterstützen wir Orchester wie das Klangforum Wien, das im Bereich der Neuen Musik international arbeitet, damit verbunden ist der Erste Bank-Kompositionspreis. Dieses Werk wird vom Klangforum bei Wien Modern uraufgeführt, dem Festival für Neue Musik. Das findet übrigens auch zeitgleich mit der Viennale im Herbst statt. Erwähnen möchte ich auch das Gustav Mahler Jugendorchester, das sich dem Nachwuchs im Klassischen Bereich widmet, aber auch das Jazzland, worauf wir sehr stolz sind, eine bedeutende private Institution, die 2022 ihr 50-jähriges Bestehen feiern wird.

Was ist Ihnen denn für die Zukunft wichtig?
Wir werden einen noch stärkeren Schwerpunkt auf die Vermittlung legen, das ist wichtig. Damit meine ich aber nicht nur Vermittlung an die Jugend oder generell an ein Publikum, sondern auch Vermittlung den Künstlerinnen und Künstlern gegenüber. Die Preise, die wir gemeinsam mit unseren Partnern vergeben, sind dazu ein wichtiges Instrument.

Die Gefahr des Rückzugs besteht nicht, wenn sich die „handelnden Personen“ ändern?
Man kann natürlich nicht in die Zukunft schauen, aber grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir unser Engagement in den nächsten Jahren weiterentwickeln können. Aber natürlich sind auch wir gefordert, unsere Inhalte – auch gemeinsam mit unseren Partnern so aufzubereiten, dass sie überzeugen.

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