Skin Film

Filmkritik

Skin

| Angela Sirch |
Eine wahre Geschichte, die unter die Haut geht

Auf welchen Fundamenten fußt eine rassistisch, neonazistische Organisation? Im Fall des Vinlanders Social Club sind es Hass, Bier und Gewalt. Bryon „Babs“ Widner ist sozusagen der Königssohn dieser Vereinigung im US-amerikanischen Indiana, deren Mitglieder allen Menschen, die anders sind als sie, den Kampf angesagt haben. Widners Haut ist übersät mit Tätowierungen, die seiner Gesinnung Ausdruck verleihen – Symbole eines faschistischen Herrenrasse-Denkens, für immer eingebrannt in seine Haut, aus vollster Überzeugung. So scheint es zumindest, denn Bryon quälen immer mehr Zweifel an dem Weg, den er eingeschlagen hat. Die nie enden wollende Wut, die in ihm brodelt, hat ihn müde gemacht. Als er Julie, die sich von der rechten Szene bereits abgewandt hat, und ihre drei Töchter kennen lernt, hat er die Hoffnung, mit einer Familie, die auch tatsächlich eine solche ist, glücklich zu werden. Doch der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch, denn dem Vinlanders SC wird man nicht abtrünnig. Unterstützung erhofft er sich von dem schwarzen Aktivisten Daryle
Jenkins, der ihm auch eine Lösung für eines der größten Probleme auf dem Weg in ein normales Leben anbietet: die Entfernung seiner Gesichts-Tattoos.

Skin, der auf der wahren Geschichte des berüchtigten Neonazi und Suprematisten Bryon Widner beruht, lebt vor allem vom starken Spiel von Hauptdarsteller Jamie Bell, der es schafft, sowohl der Wut als auch der Verzweiflung Widners Ausdruck zu geben. Zudem spürt man als Zuseher die gefährliche Brisanz vieler Szenen sehr eindringlich. Die Komponenten und Strukturen, die Neonazi-Gruppen zusammenhalten, werden veranschaulicht – vom autoritären Anführer, der sich zugleich als Vaterfigur inszeniert, einer sorgsamen Mutter, die aber abgesehen von der repräsentativen Versorgerrolle nicht viel zu melden hat, und jungen Männern und Frauen, die sich einem strikten Regelwerk und einer Mischung aus Hass, Brutalität und Alkohol unterwerfen.

Was in der, abgesehen von Ausblicken auf die schmerzhafte Tattoo-Entfernung, linear erzählten Geschichte fehlt, ist eine
Erklärung, wie die Anwerbung neuer „Familienmitglieder“ funktioniert. Zwar wird mit anhand der Geschichte des jungen Gavin, der sich mit der Aussicht auf etwas zu essen und einem Schlafplatz der Gruppe anschließt, ein kleiner Einblick gegeben, aber es wäre interessant gewesen zu verstehen, wie es die Anführer schaffen, ihren Mitgliedern so viel Hass und Hörigkeit einzuimpfen. Wie sie es bewerkstelligen, jegliche Form von Individualität und Selbstliebe auszulöschen und durch ein Gefühl rassistischer Überlegenheit zu ersetzen.