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Filmstart

Spider-Man: No Way Home

| Oliver Stangl |
With great power comes great nostalgia: Im Multiverse-Modus trifft der freundliche Netzschwinger jede Menge alte Bekannte. Ob er das Post- oder Schon-wieder-Corona-Kino retten wird? Achtung: leichte Spoiler nach der Zwischenüberschrift.

So lange, wie der große Retro-Boom schon andauert, kann man wirklich allmählich sagen, dass früher alles besser war. Bei Musik sowieso, beim Film im Grunde wohl auch. Ist es die Sehnsucht nach einer Zeit, in der die Blockbuster zumindest teilweise noch nicht so arg formelhaft daherkamen oder die Heraufbeschwörung vermeintlich glücklicherer, simplerer Zeiten? Vielleicht beides. In Jason Reitmans Ghostbusters: Afterlife gab sich jedenfalls jüngst die Originalbesetzung – inklusive des 2014 verstorbenen Harold Ramis! – die Ehre. Und im DC-Multiverse kehrt 2022 gar der 70-jährige Michael Keaton als Batman zurück.

Schneller in Sachen Multiversum (also dem Vorhandensein bzw. der Überlappung mehrerer Realitätsebenen mit alternativen Superhelden-Iterationen) war aber wieder einmal DC-Konkurrent Marvel (bzw. Spider-Man-Rechteinhaber Sony). In Spider-Man: No Way Home taucht nämlich gleich eine Vielzahl legendärer Erzfeinde auf, mit denen sich seinerzeit die Ex-Spideys Tobey Maguire (unter Sam Raimi) und Andrew Garfield (unter Marc Webb) herumschlugen.

Die Trailer haben schon sehr viel verraten: Peter Parker (Tom Holland) leidet darunter, dass seine Identität durch den Fake-News-Fabrikanten J. Jonah Jameson (J. K. Simmons) publik gemacht wurde, zumal auch seine Freunde MJ (Zendaya) und Ned (Jacob Batalon) die Konsequenzen zu spüren bekommen: War Spider-Man früher ein Held, so polarisiert er jetzt die Gesellschaft. Und das ist bei einer geplanten Karriere in der Forschung alles andere als gut. Abhilfe soll hier der arrogante Mystiker Dr. Strange (Benedict Cumberbatch) schaffen, auf dass jeder die wahre Identität der „Spinne“ vergessen möge. Doch bei dem Ritual geht einiges schief, Parelleluniversen öffnen sich – und Bösewichte aus zwei Paralleluniversen wollen den Kampf mit ihrem Lieblingsfeind fortführen. Zu den Antagonisten gehören u. a. Dr. Octopus (Alfred Molina), Electro (Jamie Foxx) und Green Goblin (Willem Dafoe). Die moralische Frage, wie man mit den eigentlich tragischen Figuren umzugehen habe, entzweit Strange und Peter – und zieht auch noch Tante May (Marisa Tomei) mit hinein …

Achtung, Spoiler!!!!!!!!! Zumindest für die Uneingeweihten
Die Fans von gestern werden die Fans von heute sein; wer zu Maguires Zeiten jung war, kann sich den neuen Film vielleicht schon mit den eigenen Kindern ansehen. Nostalgie befeuert so den immer noch anhaltenden Superhelden-Boom. Marketing- und finanztechnisch ist so ein Multiverse (das es in den Comics schon seit langem gibt, aber jetzt erstmals in großem Stil ins Kino kommt) eine generationenübergreifend einträgliche Sache. Erzähltechnisch ist es in Spider-Man: No Way Home aber eher Mittelmaß: Klar, die gut geölte Marvel-Maschine hält schon irgendwie bei Laune, mischt wie stets Action mit One-Linern. Allerdings ist dies seit einer ganzen Weile schon sehr, sehr erwartbar. Nicht wenige der Witze sieht man kilometerweit daherkommen.

Stärker als Humor und Kampf sorgt die schon erwähnte Nostalgie für Entertainment: So macht es durchaus Spaß, vor allem Molina und Dafoe nochmals in ihren legendären Rollen zu sehen – in Sachen Schauspiel gibt es da absolut nichts zu meckern (auch Holland ist gewohnt gut). Allerdings gehen ein paar der damals schon eher schwachen Bösen (Sandman, Lizard) in der Masse unter. Und die bekannte, hier wieder variierte Moral „With great power comes great responsibility“ hat man schon ein bisschen zu oft gehört.

Am Interessantesten und berührendsten ist der Film dort, wo Peter – nochmalige Spoilerwarnung – es mit „Parallelversionen“ seiner selbst zu tun bekommt; hier werden sowohl die tragischen als auch die humorigen Aspekte, die Stan Lee in Spider-Man angelegt hat, recht gut herausgearbeitet. Dass es dabei nicht wenige Meta-Schmähs gibt, versteht sich von selbst. Und: Es gibt sogar ein, zwei, nennen wir es – hochemotionale – Konsequenzen aus Peters Handlungen, was ja bei Marvel-Filmen nicht so oft der Fall ist. Zumindest bis zum nächsten Film …