Filmkritik

Spieler

| Jörg Schiffauer |
Ein Blick in die faszinierende Welt des Gamblings

Fjodor Dostojewski verstand, wohl auch aus eigener Erfahrung, ziemlich genau festzumachen, welche Faszination vom (Glücks-)Spiel ausgeht: „Da hätte ich gehen sollen, aber in mir stieg ein seltsames Gefühl auf, etwas wie eine Herausforderung ans Schicksal, ein Wunsch, es gleichsam zu ohrfeigen, ihm die Zunge herauszustrecken.“
Dieses Zitat aus seinem Roman „Der Spieler“ fasst trefflich den eigentlichen Reiz, nämlich das Gefühl, bei entsprechend guter Beherrschung des jeweiligen Spiels eine Kontrolle über das eigene Schicksal auszuüben, wie man dies ansonsten in einer immer komplexer werdenden Welt kaum noch tun kann. War das Spielen samt der von ihm ausgehenden Faszination über lange Zeit immer auch von der Skepsis (klein-)bürgerlicher Wertvorstellungen begleitet, hat sich in jüngerer Vergangenheit mit der Verbreitung des Internets ein nicht zu leugnender Wandel vollzogen. Spielen hat breite Gesellschaftsschichten erreicht, insbesondere Poker entwickelt sich dabei zu einem populärkulturellen Phänomen.

Katharina Copony hat sich in Spieler dem Universum der Pokerspieler moderner Prägung angenähert. Dabei begleitet sie einen jungen Mann auf seiner Tour zu diversen Pokerturnieren und seinen stundenlangen Einsätzen beim Online-Poker. Hierbei, in totaler Abgeschiedenheit vor dem Computer, nur fokussiert auf die zahlreichen, nahezu parallel ablaufenden Partien, wo dem Spieler nur Sekundenbruchteile für seine Entscheidungen bleiben, verdichtet sich das Motiv der Kontrolle auf geradezu exemplarische Weise. Kontrolle über das Spiel und dabei vor allem über sich selbst – Grundvoraussetzung für Spieler, die erfolgreich sein wollen – wird zu einem zentralen Faktor. Bei Turnieren, wo man tatsächlich Menschen gegenübersitzt, nimmt das oft zitierte „Pokerface“ auch ein wenig bizarre Züge an. In langen Sequenzen zeigt Copony die Gesichter der Spieler, die, um nach außen unberührt zu wirken, ihre Anspannung hinter Sonnenbrillen, betont hochgezogenen Kapuzen oder grimassenhaften Zuckungen zu verbergen suchen.

Unterlegt werden die Bilder mit einem spärlichen Kommentar aus dem Off, einer Collage von Zitaten aus Literatur und Interviews mit Spielern, die von der Schauspielerin Anne Ratte-Polle betont emotionslos gesprochen werden. Die Sequenzen der monotonen Abläufe des Spiels mit seinen ewig wiederkehrenden Mustern und Ritualen – wie etwas das nicht enden wollende Klimpern mit den Chips – macht deutlich, dass neben dem Behalten der Kontrolle das Abrutschen ebenso wahrscheinlich ist. Dass Geld dabei längst eine untergeordnete Rolle spielt und primär Mittel zum Zweck ist, verdeutlicht ein bekannter US-amerikanischer Pokerspieler, der auf die Frage, was er mit einem großen Gewinn machen werde, lakonisch meint: „Natürlich verspielen.“