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Star Wars | Interview

Die Macht der Macht

| Thomas Abeltshauser |
Zum Start von Episode VIII der Saga: Mark Hamill über die ungebrochene Faszination von „Star Wars“, den Mythos Luke Skywalker und über die Trauer um seine Freundin Carrie Fisher.

Mitte der siebziger Jahre war Mark Hamill einer von zahllosen jungen Schauspielern, die an ihrer Karriere in Hollywood bastelten. Erste Schritte, wie eine durchgehende Rolle in der erfolgreichen Soap Opera General Hospital und einige weitere Auftritte in diversen Fernsehserien, hatte Hamill absolviert, doch vom großen Durchbruch war er noch weit entfernt. Das sollte sich mit dem Vorsprechen für einen Sci-Fi-Film eines jungen Regisseurs namens George Lucas ändern. Mark Hamill bekam die Rolle, der Film ist natürlichStar Wars – der mittlerweile in der Chronik als Star Wars: Episode IV – A New Hope firmiert. Die unvergleichliche Erfolgsgeschichte der Saga nahm nach der Premiere im Mai 1977 ihren Lauf. In den Fortschreibungen The Empire Strikes Back (1980) und Return of the Jedi (1983) übernahm Hamill wieder die Rolle des Luke Skywalker, die ihn weltberühmt machen sollte. Trotz einiger durchaus bemerkenswerter Arbeiten – vor allem sein Auftritt in Samuel Fullers grandiosem Kriegsfilm The Big Red One muss dabei erwähnt werden – konnte Hamill nicht wie sein Kollege Harrison Ford an den Erfolg von Star Wars im ganz großen Stil anknüpfen.
George Lucas arbeitete ab 1999 mit drei Filmen (Star Wars: Episode I – The Phantom Menace, Star Wars: Episode II – Attack of the Clones, Star Wars: Episode III – Revenge of the Sith) die Anfänge des Konflikts zwischen dem Imperium und der Rebellenallianz auf, ehe er schließlich die Rechte an seinem phantastischen Universum an die Walt Disney Studios verkaufte. Unter dieser neuen Ägide folgte 2015 mit Star Wars: The Force Awakens eine Fortsetzung, die 19 Jahre nach dem Ende von Return of the Jedi spielt und somit Gelegenheit bot, den Original-Cast um Harrison Ford, Carrie Fisher und Mark Hamill neben einer ganzen Reihe neuer Charaktere wieder ins Spiel zu bringen. Auch in dem demnächst anlaufenden Star Wars: The Last Jedi ist der von Hamill gespielte Luke Skywalker als zentrale Figur wieder mit dabei. Doch Episode VIII der Saga wird auch für elegische Momente sorgen, markiert sie doch den letzten Auftritt von Carrie Fisher als Prinzessin Leia – die Schauspielerin verstarb nach Ende der Dreharbeiten völlig unerwartet am 27. Dezember 2016.

Ganz ehrlich, Mr. Hamill: Werden Sie nicht müde, seit Jahrzehnten über „Star Wars“ zu reden?

Machen Sie Witze? Ich liebe es! Es wird nie langweilig, weil es mich immer wieder überrascht, wie viel Enthusiasmus und Leidenschaft manche Fans haben. Ich dachte, es würde irgendwann weniger werden und ein neues Kinospektakel würde uns Star Wars-Bande in den Ruhestand schicken und alles eine hübsche Erinnerung werden. Aber die Faszination ebbt einfach nicht ab.

Was macht in Ihren Augen „Star Wars“ im Allgemeinen und Luke Skywalker im Besonderen so ikonisch?

Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Eben wurde ich von einem britischen Männermagazin mit einem Preis geehrt, und ich dachte nur: Habt ihr den Verstand verloren? Ich auf dem Cover eines Modemagazins? Ich kann kaum das Haus verlassen, ohne einen augenrollenden Kommentar meiner Tochter: „Du willst wirklich das mit dem kombinieren?!“ Mir macht meine Arbeit einfach Spaß. Als ich in meinen Zwanzigern war, hätte ich nie gedacht, dass ich das auch noch mit 60 tun würde. Nicht nur Star Wars, auch am Broadway und als Sprecher in Animationsfilmen, ich genieße jeden Tag. Als ich im Sommer den Disney Legends Award bekommen habe, meinten meine Kinder: „Daddy, jetzt hast du endlich den Beweis, dass nicht nur du selbst dich für legendär hältst.“

Sie sind seit dem ersten „Krieg der Sterne“ 1977 dabei. War es gleich klar, dass Sie auch bei der Abschluss-Trilogie 40 Jahre später mitwirken?

Als George Lucas in den Neunzigern die drei Prequels drehte, meinte er schon zu mir, dass er die anderen geplanten Filme nicht mehr selbst inszenieren würde. Er wollte nicht noch mit Mitte 70 damit zu tun haben. Und dann kam im Sommer 2012 plötzlich ein Anruf, dass er mich sehen wolle. Ich wusste nicht genau, was das zu bedeuten hat. Wenn zum Beispiel eine neue DVD-Edition herauskam, wurde ich etwa gefragt, für eine Dokumentation ein Interview zu geben. So etwas in der Art hatte ich auch da erwartet. Also ging ich mit ihm Abendessen, Carrie Fisher war auch dabei, und er murmelte etwas von: „Ich habe Star Wars an Disney verkauft, sie wollen eine neue Trilogie machen, aber wenn ihr nicht mitmachen wollt, kein Problem, dann schreiben wir Leia und Luke aus der Handlung.“ Ich setzte mein bestes Pokerface auf und blieb ganz cool. Keine zehn Sekunden später rief Carrie: „Ich bin dabei!“ Ich schaute sie nur entgeistert an und meinte später: „Du kannst doch nicht so einfach zusagen!“ Sie entgegnete: „Mark, wie viele Rollen gibt es in Hollywood für Frauen über 50?“ Und sie hatte Recht.

Warum haben Sie gezögert?

Mir war es fast eine Nummer zu groß, auch wenn das Drehbuch unglaublich originell war. Aber ich hatte absoluten Bammel davor, das sagte ich auch zu J.J. Abrams, dem Regisseur. Und er sagte: „Den habe ich auch.“ Kaum ein Regisseur würde so etwas zugeben, aber der Druck auf dieses Projekt ist einfach gigantisch. Hätte ich zu viel darüber nachgedacht, hätte ich mich zitternd hinter einem Sofa versteckt. Ich beschloss dann, so zu tun, als sei Star Wars ein kleiner Arthouse-Film, den die Kritiker lieben werden, den sich aber kaum jemand im Kino ansehen wird. Anders hätte ich es aus lauter Panik nicht machen können. Aber als Carrie und Harrison Ford zugesagt hatten, fühlte ich mich wie zum Militär eingezogen, ich wusste, da kam ich nicht mehr raus. Hätte ich abgesagt, wäre ich der am meisten gehasste Mensch im ganzen Fan-Universum gewesen. Sie hätten mein Haus umzingelt wie der wütende Mob in Frankenstein, nur dass sie statt Fackeln Lichtschwerter dabei gehabt hätten. Ich musste also einrücken.

Wie reagierte Ihre Familie auf Ihrer Entscheidung?

Sie fanden es alle gut. Mein Ältester, Nathan, ist ein Riesen-Star-Wars-Fan, er kennt sich in diesem ganzen Universum sehr viel besser aus als ich, er liest jedes Buch, er hat alle Videospiele durchgezockt. Ich schaue mir noch nicht mal mehr die Filme an. Er ist der wahre Experte in der Familie. Immer, wenn mir der Name einer Figur nicht mehr einfällt, frage ich ihn. Ich habe mal ein Star-Wars-Quiz mitgemacht und bin total gescheitert. Im Ernst, wer erinnert sich an all das Zeug? Manche Fans sind wandelnde Lexika.

Der Austausch mit den Fans ist bei „Star Wars“ ein wichtiger Faktor. Es finden regelmäßig Conventions statt, zu denen Tausende anreisen, um ihre Helden in Fleisch und Blut zu sehen.

Wenn ich da vor zweitausend Leuten stehe, bin ich tatsächlich gerührt. Es ist für viele ein so wichtiger Teil ihres Lebens. Jemand erzählt zum Beispiel, wie er seine Frau bei Das Imperium schlägt zurück kennengelernt hat, ein anderer hat seinen Sohn Luke genannt. Und immer höre ich heroische Geschichten, wie Star Wars jemandem Mut gemacht hat, seine Krebsbehandlung durchzustehen.

Wird Ihnen das auch mal zu viel?

Es erstaunt mich eher immer wieder, welchen Einfluss es auf Menschen hat. Es gibt Fans, die können nicht fassen, dass ich Das Erwachen der Macht erst zweimal gesehen habe. Ich war bei der Weltpremiere in Los Angeles, dann sind wir nach London zur Europapremiere. „Aber dazu waren Sie ja vertraglich verpflichtet“, muss ich mir dann anhören. Als ob zweimal nicht reichen würde! Es fühlt sich fast an, als stünde ich vor Gericht. Nicht umsonst kommt Fan von fanatisch!

Die Fans nehmen diese Welt sehr ernst.

Das Star-Wars-Publikum ist ein sehr strenges und nicht immer fair. Okay, Die dunkle Bedrohung hat nicht jedem gefallen, aber hat der Film wirklich nachträglich deine Kindheit ruiniert? Komm schon! Eines sollte man vor so einem Publikum aber wirklich nie sagen: „Es ist doch nur ein Film.“ Damit löste ich einen Tumult aus, sie waren völlig außer sich. Man könnte denken, ich hätte den Papst bespuckt. Dabei habe ich nur George Lucas selbst zitiert. Denn als Carrie und ich bei den Dreharbeiten der ersten Filme über die Motivation unserer Figuren sprechen wollten, hatte er darauf keine Lust und meinte: „Lasst es uns einfach drehen, es ist nur ein Film.“ Mir hat die Einstellung geholfen.

War das Phänomen Luke Skywalker auch eine Bürde, weil es Ihre andere Arbeit als Schauspieler überschattete?

Mein Berufsethos war immer, ganz im Moment zu sein, ob das nun ein Broadway-Stück, ein Animationsfilm oder ein Blockbuster ist, und bestmögliche Arbeit abzuliefern. Wenn Sie mich fragen, ob ich es schade finde, nur wegen Star Wars in Erinnerung zu bleiben, kann ich nur sagen: Als ich in dem Job anfing, hatte ich nie erwartet, eines Tages für irgendwas in Erinnerung zu bleiben. Und dann doch lieber Luke Skywalker als Charles Manson oder Adolf Hitler. Ich wusste als junger Mann, dass ich in einen Platz im Showbiz will. Und wenn ich als Schauspieler zu miserabel bin, werde ich eben Koch beim Catering. Ich muss nicht unbedingt vor der Kamera stehen. Im Grunde ist es wie Monopoly: Es hängt viel vom Glück ab, ob die Würfel so fallen, dass man auf der Schlossallee landet und nicht im Knast. Aber zugegeben, ich hatte bis in die frühen Neunziger so meine Schwierigkeiten damit, immer nur Luke Skywalker zu sein. In fast jeder Kritik stand etwas wie: „Mark Hamill (Luke Skywalker) als Mozart…“. Als ich mich mal wieder darüber ärgerte, meinte Carrie: „Was hast Du denn für ein Problem? Ich BIN Prinzessin Leia.“ Sie hat sich die Rolle ganz zu eigen gemacht und für ihr Image genutzt, sie war darin bahnbrechend. Ich ahnte, dass ich da was von ihren lernen und meinen Frieden mit Luke schließen kann. Und das habe ich getan.

Carrie Fisher ist vergangenen Dezember überraschend gestorben. Wenn sie heute hier wäre…

…würde sie wahrscheinlich gerade hinter meinem Rücken Grimassen machen oder mir den Stinkefinger zeigen. Sie hat aus jeder Situation einen Spaß gemacht. Wir waren Verbündete, wir vertrauten einander. Als sie uns das Geheimnis von Die Rückkehr der Jedi-Ritter verrieten, mussten wir alleine in ein Studiobüro kommen, weil es sonst niemand wissen durfte. Und sie meinten: „In diesem Film werden Luke und Leia herausfinden, dass sie Bruder und Schwester sind.“ Uns blieb der Mund offen stehen, weil wir es nicht glauben konnten. Carrie liebte es, die Prinzessin zu sein in einem Filmuniversum, in dem sie lange fast die einzige Frau war. Und sie war schließlich Hollywood-Adel. Ihre Mutter Debbie Reynolds war ein Filmstar, die ganze Familie war im Showbiz, halb Hollywood ging bei ihnen ein und aus. Mein Vater war bei der Navy, ich hatte sieben Geschwister. Ich kannte nicht nur niemanden in Hollywood, ich kannte noch nicht mal jemanden, der jemanden kannte.

Das änderte sich dann mit „Star Wars“ schlagartig.

Kurz nach den Dreh des ersten Films ging auf eine Party in Carries Haus, und jeder Gast dort war der Sohn oder die Tochter eines Stars. Dean Martins Nachwuchs, eines von Jerry Lewis’ Kids … Es war eine außerirdische Welt für mich. Als ich die Auffahrt in Bel Air betrat, standen da nur Lamborghinis und Maseratis. Ich hatte meinen kleinen Mazda am Ende des Blocks geparkt und ging die letzten Meter zu Fuß. Carrie genoss diese Welt und sie liebte es auch, im Film die Prinzessin zu sein. Als dann die Katze aus dem Sack war, dass Luke und Leia Geschwister sind, herrschte kurz Schweigen. Bis es mir dämmerte, und ich mich zu ihr umdrehte: „Gehöre ich jetzt auch zum Hollywood-Adel?“ und sie bellte nur „Nein!“. Ich wusste, dass sie mein kleiner Scherz aus der Reserve locken würde.

Spielten Sie einander auch später noch Streiche?

Als wir letztes Jahr in den Pinewood Studios drehten, kamen Prinz William und Prinz Harry ans Set. Und das Protokoll verbot uns, ihnen Fragen zu stellen, die eine Antwort erfordern. Keine Fragen nach ihrer liebsten Episode, nichts. Wir stellten uns also in einer Reihe auf, und sie begrüßten uns nacheinander. Ich dachte mir nur: Ich lasse mir doch diese Gelegenheit nicht entgehen! Also sagte ich: „Königliche Hoheit. Lord Vader, Queen Amidala, Prinzessin Leia … Luke gehört zum königlichen Adel, oder?“ Prinz William: „Hm, ja, Sie haben wohl recht.“ und Prinz Harry grinste: „Ich bräuchte dazu noch ein bisschen mehr Information.“ Ich konnte es gar nicht erwarten, Carries Gesicht zu sehen. Man sollte sich nicht zu ernst nehmen und auch bei der Arbeit den Humor nicht verlieren, sonst ist man schlicht in der falschen Branche.

Wie sind Sie mit Carrie Fishers Tod umgegangen?

Ich bin noch immer in der Phase der Verleugnung, ich will es nicht wahrhaben, dass sie nicht mehr da ist. Ich will es für einen großen Trick halten, mit dem sie uns alle an der Nase herumführt, während sie es sich auf einer griechischen Insel gutgehen lässt und uns auslacht. Sie ist unersetzbar. Sie ist wunderbar in den Szenen, die sie noch gedreht hat, aber mit dem Wissen um ihren Tod wird der Film eine Traurigkeit haben, die er nicht verdient. Die halbe Welt trauert, denn sie ist Teil der Popkultur geworden. Mir wird es schwer fallen, das alles zu verarbeiten. Und ganz egoistisch gesagt: Diese ganze Pressetour und die Premieren werden nicht mehr solchen Spaß machen. Neun Stunden in einem Flugzeug sind leichter zu ertragen, wenn Carrie ihre Sprüche macht, jedes Dinner wird durch sie gleich viel amüsanter.

Wie wird es im neunten Teil, der 2019 ansteht, ohne sie weitergehen?

Sie wird nicht als CGI animiert werden, zum Glück! Meine Kinder machen schon Scherze, wenn ich mal tot bin, ob sie dann Lizenzen unterschreiben sollen, dass sie mich als Computergrafik wiederbeleben. Und wer dann welche meiner Spielzeugfiguren bekommt. Dabei bin ich im selben Zimmer und muss mir das alles anhören. Sie haben wirklich meinen Humor geerbt.