Der faschistische Frontverband der Luftwaffe im NS-Action-Film und die Werbung für den Opfertod: „Stukas“ (1941, Karl Ritter), zu sehen im Rahmen der „Vorbehalts“-Filmschau des Filmarchiv Austria
Ein Mythos umgab das Kampfflugzeug, das zuzeiten des Zweiten Weltkriegs für den Sturzflug in einem extremen Winkel aufs Ziel hin angelegt war: Stuka – Sturzkampfbomber Junkers Ju 87. Indirekt geht die Entwicklung dieser Maschine auf Ernst Udet, den Weltkriegs-prominenten Kampfpiloten aus dem Manfred-von-Richthofen-Geschwader und zwischen den Kriegen filmischen Selbstdarsteller in Bergfilmen, zurück, der Anfang der 1930er Jahre eine sturzflugfähige Maschine vom Typ Curtiss Hawk in den USA gesehen hatte, nach der Machtübernahme der Nazis und seinem eigenen NSDAP-Beitritt 1933 zwei dieser Flugzeuge erwarb und im Reich erprobte. Infolge der Neugründung der Luftwaffe 1935 wurde Udet Inspekteur der Jagd- und Sturzkampfflieger, in dem Film Wunder des Fliegens (Heinz Paul) aus demselben Jahr sieht man seine Sturzflugvorführung vorerst noch als zivile Artistik vor dem großen Publikum einer Flugschau in Berlin. „Das deutsche Volk soll ein Volk von Fliegern werden!“ heißt es da. Flugenthusiastische, technikbegeisterte Hitlerjungen werden über NS-Segelschulen paramilitärisch der Fliegerei und damit der Luftwaffe als Nachwuchs zugeführt.
In der Phase des Blitzkrieges eignete diesem Flugzeugtyp des Stuka Ju 87 der Ruf einer Wunderwaffe, bevor diese Bezeichnung im Dritten Reich sich auf eine andere Kategorie ungleich zukunftsträchtigerer Distanzwaffen richtete, unbemannte Fernlenkwaffen und Raketen, von deren Wirksamkeit die Menschen mehr denn je auf Kriegsschauplätzen oder in Fahndungsgebieten der Militärmächte betroffen sind. In den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs brachte der Stuka-Pilot die Bombe im Sturzflug noch möglichst nah ans Ziel und durfte dabei nicht den entscheidenden Moment verpassen, nach dem Bombenabwurf die Maschine hochzureißen. Sarkastisch gesprochen: Man trug den Ball ins Tor – so jedenfalls könnte es der Umgang mit dieser ‚Kriegshandlung‘ in dem vorliegenden Film nahelegen. Seit dem Überfall auf Polen am 1.September 1939 erzielte die deutsche Luftwaffe mit dem Einsatz einer Sirene, die unter dem Rumpf der Stukas installiert war und nach jedem Abdrehen der Maschine in den Sturzflug infernalisch zu heulen begann, einen ganz eigenen Demoralisierungseffekt unter allen Lebewesen im Zielgebiet – man nannte diesen kennzeichnenden höllischen Lärm, der die Bombardierung durch die deutsche Luftwaffe ankündigte, die ‚Sirenen von Jerichow‘.
Jerichowsirenen
Karl Ritters Film Stukas ist komplett aus Sicht der Bombenwerfer, aus der Distanz entworfen, deshalb sei hier eine Stimme in Auszügen zitiert, die einen Blickwinkel aus der Tiefe erdgebundener ‚Betroffenheit‘ wiedergibt: „Der von der französischen Einheit verursachte Aufruhr hatte das Geräusch ihrer Motoren übertönt, aber sie ließen sich mühelos erkennen. Es waren mindestens 15, gut dreitausend Meter hoch, kleine Punkte am blauen Himmel, die über der Straße kreisten (…) [Es] löste sich einer der Teufel und setzte unmittelbar über ihren Köpfen zu einem fast senkrechten Flug an. Sekundenlang hörten sie keinen Ton. Die Stille schien zu einem Druck auf ihren Ohren anzuwachsen. Und selbst das laute Geschrei, das entlang der Straße aufbrandete, konnte diesen Druck nicht lindern: Deckung! Auseinander! Auseinander! Marsch, marsch! (…) Als er sie an der Schulter dem Tor zuschob, hörten sie das Heulen der Jerichowsirenen. Alpträume waren zu einer eigenen Wissenschaft geworden. Irgendjemand, auch nur ein Mensch, hatte die Zeit aufgewandt, sich dieses satanische Heulen auszudenken. Und mit welchem Erfolg! Es war das Geräusch der Panik schlechthin, das lauter und lauter wurde und jenem Untergang entgegenstrebte, der, wie sie alle, wie jeder einzelne von ihnen wußte, sie jetzt erwartete. Es war ein Geräusch, daß man einfach persönlich nehmen mußte. (…) Eine Stuka hatte eine einzige Fünfhundert-Kilo-Bombe an Bord, deshalb mußte man sich möglichst weit von Gebäuden, Fahrzeugen und anderen Menschen fernhalten. Der Pilot würde seine kostbare Fracht nicht für eine einsame Gestalt auf einem Feld verschwenden. Wenn er allerdings umkehrte, um im Tiefflug zu jagen, war das etwas anderes.“ So zu lesen in dem Roman „Atonement“ (deutsch: „Abbitte“, Zürich, 2003, S. 336-338) von Ian McEwan, der aus der Perspektive eines britischen Soldaten am Boden höchst authentisch einen Stuka-Angriff auf Flüchtlingszüge entlang der Wege nach Dünkirchen beschrieben hat, nach der Lektüre von Berichten Überlebender aus dem Archiv des Imperial War Museum („Atonement“ wurde 2007 von Joe Wright verfilmt). Die Einsätze zu Bombardierungen, welche die eigentliche Handlung des Films Stukas bilden, sollen während des Frankreichfeldzuges 1940 in dieser Gegend stattgefunden haben. McEwans Nacherzählung vieler Zeugenstimmen gibt die Perspektive von unten wieder, die der NS-Luftwaffen- bzw. der NS-Kriegsfliegerfilm so gut wie nie einnimmt, mit einer Ausnahme – als einmal eine Bomberbesatzung abgeschossen, mit dem Fallschirm niedergeht, sich plötzlich mitten im Zielgebiet der eigenen Kampfflugzeuge wiederfindet und feststellen muss – hier ist es nicht so angenehm, wie von oben herab seine gewaltigen Ladungen auszuklinken.
Ein verlorengegangenes Zeitgefühl
Anlässlich der Vorstellung seines Films Die Macht der Gefühle (1983) im Februar 1984 im Stadtkino Wien schrieb Alexander Kluge zu einer begleitenden Programmreihe über Filme, darunter Stukas, die er in seinem Film zitiert hatte:
„Der Film Stukas wurde unmittelbar nach dem zweiten Unternehmen des Blitzkrieges produziert: Frankreich war geschlagen, die Luftschlacht über England hatte aber noch nicht stattgefunden. Es war ein Zeitpunkt, in dem eine Mehrheit der Gefühle in unserem Lande sich gefreut hätte, wenn jetzt Frieden geschlossen worden wäre. Die Gefühle kaprizieren sich auf den Moment. Sie sind nicht Richter oder Kenner der Zeitgeschichte. Sie hätten sich gewünscht, daß die Soldaten zu ihren Frauen und Kindern zurückkehren und daß alles so weitergeht, wie man es 1939 verlassen hatte. Bertolucci versteht, wovon ich spreche. Aus diesem Film habe ich, weil es um ein verlorengegangenes Zeitgefühl geht, das gewissermaßen in einem politischen Niemandsland siedelt, sehr viele Strecken unter zahlreichen, auch extrem experimentellen Veränderungen abgefilmt. Davon ist nur eine in den Film eingegangen: Der in Deutschland sehr bekannte Schauspieler O.E. Hasse, hier als Luftwaffen-Oberst [er meint Oberstabsarzt; J.B.], sonst als Admiral Canaris und auch als Widerstandskämpfer tätig, zitiert einen Text, der in den Gefühlslandschaften der Gegenwart haarsträubend klingt, zum Zeitpunkt der Filmaufnahme dagegen einem starken Gefühl entspricht; das Zitat stammt aus einer Ode von Friedrich Hölderlin.“
„… wie junge Götter …“
Die betreffende Szene, die Hölderlins „Tod fürs Vaterland“ anspielt, beginnt damit, dass der Kommandeur der Einheit (gespielt von Carl Raddatz), der einer Mutter den tödlichen Absturz ihres Sohnes mitzuteilen hatte, als Antwort einen Brief erhält, den er innerlich bewegt dem Oberstabsarzt zeigt – „Wenn eine Mutter das so aufnimmt“, sagt er in einer der sehr raren feierlich-erhabenen Eintönungen dieses Films, „dann hat der Tod plötzlich gar kein Gewicht mehr“, und in eindringlicher Heranfahrt auf Nah-groß, das schimmernd leuchtende Auge des Hauptmanns, visionär: „Man denkt eigentlich gar nicht mehr daran, daß sie gefallen sind, sondern nur noch, wofür sie gefallen sind und man hat sie immer wie junge Götter in Erinnerung.“ Wie schon in Morgenrot (1933), am Anfang der NS-Herrschaft, wird der Sinn des Opfers beschworen, fürs Vaterland, und zugleich für den Opfertod geworben. Karl Ritter, Pg der ersten Stunde, seit 1925, überzeugter Nationalsozialist, 1933 erstmals von der Ufa als Produzent engagiert, filmte ausdrücklich für ein gleichgesinntes NS-Publikum. Mit Stukas, der zu jenen seiner Werke gehört, die „wie filmische Panzerwagen an die vorderste Front gehören“, betreibt er eine ungeheure Rechtfertigung des Krieges, auch des vergangenen Weltkriegs und beschwört den Tod als moralischen Wert. „Dir ist, Liebes, nicht einer zuviel gefallen.“ So endet das Hölderlin-Zitat.
Für Luftwaffenfilme wie Stukas oder Besatzung Dora (1943), alle während des Krieges von Karl Ritter gedreht, darüber hinaus für alle NS-Fliegerfilme, die in den Babelsberger Ufa-Studios produziert wurden, war die Rückpro- und Modellabteilung unter Leitung von Gerhard Huttula zuständig, die einen großen Fundus an Original-Luftkampfaufnahmen mit Formations- und Himmelssequenzen als rückprojizierte Hintergründe einsetzte. Im Übrigen wurden dort Tricksequenzen für den Tobis-Film Front am Himmel (1940-1942, Stöppler/Bartning/Ruppel) produziert, einen Luftwaffenfilm von Spielfilmlänge, einen semidokumentarischen Montagefilm aus Spiel-, Original- und Trickaufnahmen. Angesichts der veränderten Kriegslage wurde Front am Himmel für die öffentliche Aufführung verboten (und teilte damit das Schicksal von Besatzung Dora, dessen Aussagen ebenfalls durch den forcierten Truppenrückzug der Wehrmacht derart obsolet wurden, dass der mehrfach von der Zensur erzwungene Umschnitt des Films beständig dem Frontverlauf ‚hinterherhinkte‘). Doch die Tricksequenzen wurden kommentarlos in deutsche Wochenschauen integriert; sie wirkten auf die Zuschauer wie Dokumentarbilder.
Die Luftwaffe im NS-Propagandafilm – „Einheit des Willens und der Aktion“
Im Filmvergleich zwischen den Teilstreitkräften liegt der Schwerpunkt an Filmproduktionen bei der Luftwaffe. Der technisch-dynamische Charakter der neuen Waffengattung sprach Jugendliche und junge Männer an, deren Technik- und Flugbegeisterung dem NS-Fliegerkorps Nachwuchs verschaffte, der frühzeitig fachlich wie ideologisch geschult und gefiltert wurde. In der jüngsten Teilstreitkraft erschien man im Vergleich lässig, weniger formal, der Ton war lockerer als in den anderen Waffengattungen. Die NS-Propaganda nutzte den Fliegertopos, um ihr Ideal eines neuen, arischen Übermenschen zu demonstrieren, wobei die Jagdflieger mit ihren Abschusslisten gegenüber den Bomberpiloten sicher einen Prestigevorteil besaßen.
Dokumentarische Szenen, die aus Wochenschauen kompiliert waren, verstärkten den Charakter des Authentischen und wurden mit Modelltrick- und Studio-Rückpro-Aufnahmen versetzt, so dass sie den Modell-Einstellungen etwas von ihrer Künstlichkeit nahmen. Neben den langen Wochenschaukompilationen wie Feuertaufe oder Sieg im Westen von 1940 und Riefenstahls „heroischen Reportagen“ hat sich der Nationalsozialismus nahezu idealtypisch dargestellt gesehen in einer Kategorie offiziell so genannten „zeitnahen Films“, zu der Ritters Stukas gehörte. Für diese „Zeitfilme“ stand Karl Ritter wie kein anderer „Spielleiter“ gegen Kriegsbeginn, zwischen 1936 und 1943 inszenierte er 17 Spielfilme. Als „Zeitfilm“ bezeichnete Ritter den Film, der „von Nationalsozialisten (mit oder ohne Parteiabzeichen) erdacht, gedichtet und gemacht wurde. Er muß das heutige deutsche Gesicht haben, heroisch sein, wie das Schicksal der Zeit es vom Leben fordert, befreiend und erhebend, lebensbejahend und von einem daseinsgläubigen Humor erfüllt, ein Werk von innerlich jungen Menschen…“ (Berliner Börsen Zeitung, 13.12.1936). Nach Kriegsbeginn verschärft sich der Ton, die Unterhaltungsware geht kurzzeitig zurück, es erfüllt sich schließlich die Propagandabotschaft des NS-Regimes in deutlich ausgelebten Freund—Feind-Schemata, unter formal engen Grenzen. Das Bild vom Soldaten wird unter Kriegsbedingungen deutlich modernisiert. Im Mensch-Maschine-System unter den besonderen Bedingungen des Nazi-Krieges, vorgestellt als Wechselwirkung von Technik und Willen in der Aktion, sieht ein zeitgenössischer Funktionär aus der NS-Film-Branche ein moralisches Prinzip wirksam werden:
„Kein anderes Darstellungsmittel als der Film kann eindrucksvoller Zeugnis ablegen von dieser untrennbaren Verbindung zwischen Mensch und Apparatur, die beide zu einer geschlossenen Einheit des Willens und der Aktion gemacht sind. Man erlebt hier, wie die Technik vom menschlichen Willen beseelt und gelenkt und wie umgekehrt auch der Mensch von der technischen Präzision und Schnelligkeit miterfaßt und geformt wird. Man erlebt im filmischen Bildnis den deutschen Soldaten von heute als den kämpferischen Vertreter einer Idee, der es gelungen ist, die elementaren Kräfte der Technik einem moralischen Prinzip zu unterwerfen, und die deshalb dazu berufen erscheint, dem 20. Jahrhundert seine Gestalt zu geben.“ (Frank Maraun, Einst und jetzt. In: Der deutsche Film 5/1941). Maraun war Filmreferent im Goebbels-Ministerium.
Der Tod im Off – „fern schmückenden Beiwerks“
Von der Filmprüfstelle gab es für Stukas jeweils die Prädikate „staatspolitisch, künstlerisch und volkstümlich wertvoll“ sowie „jugendwert“; die höchsten Prädikate erreichte der Film nicht, dafür reichte die eingeschworene NS-Gesinnung des Regisseurs allein offenbar nicht aus. Schon Zeitgenossen galt Karl Ritter als handfest, derb, durchweg zu laut, ohne jede Eleganz – er sei jemand „für die deftigen Dinge“, äußerte Joseph Goebbels. Das wurde durchaus nicht spitzfingrig, negativ aufgefasst, sondern eher als eine Art Waffenwirkung verstanden. Die Dramaturgie des Films lässt Kampfszenen und –pausen auf dem Feldflugplatz abwechseln. Die Pausen scheinen nur dazu da, durch den nächsten Befehl zu spektakulärem Angriff, im Laufschritt zu den Maschinen, vom Start zum Zerstörungsziel, unterbrochen zu werden. Rainer Rother hat es in der Bemerkung auf den Punkt gebracht, „die vermittelte Kriegserfahrung“ schwanke quasi „zwischen einem Campingerlebnis und der Symbiose mit der Maschine“. Stukas gliedert sich in sieben Kampfeinsätze plus dem finalen Aufbruch gegen „Engelland“, wobei die Flieger in ihren Kanzeln das von Herbert Windt (schrieb die Musik auch zu Riefenstahls Olympia u.v.a.) komponierte Stuka-Lied anstimmen, das sie als die „schwarzen Husaren der Luft“ feiert. Für den letzten fertiggestellten Film aus dem ersten Kriegsjahr musste man nach der Veröffentlichung das Kriegsziel England durch das der Sowjetunion austauschen.
Der Tod findet im Off statt, trifft immer als Meldung ein und verursacht innerhalb des Verbands kurze Wortlosigkeit. Augenblicklich kommt der Lichteinfall auf die Gesichter aus der Tiefe, die hysterisch anmutende Launigkeit in der Kameradenrunde, die aufgeputschte Exaltiertheit bricht ab und der Film ruft seltsam entfremdet wirkende Reaktionen ab: „Die Besten trifft‘s zuerst“, „Tja, Männer, so ist das im Krieg…“ oder, nach der nächsten Verlustmeldung: „Kinder, es wird langsam ernst.“ Dass „auf eine durchgehende dramatische Handlung im althergebrachten Sinne“ verzichtet wurde, „fern schmückenden Beiwerks“, sahen die Premierenberichte als eine neue Qualität an. Der Gegenwarts-Action am Kriegsschauplatz wurde keinerlei Aufmerksamkeit abgegraben, kein Konflikt mit oder in der Heimat entgegengesetzt – jede Bombe war ein Treffer, zeigt Stukas, und so etwas wie Spannung ließ sich nur in der Frage unterbringen, wer aus der Kameraderie des Geschwaders, dessen drei Staffeln nach der Rückkehr vom nächsten Einsatz wohl fehlen würde.
Vorführung einer Waffe in allen Anwendungen
Als „hochbudgetierte Kampfmaschinen“ hat Karsten Witte 1994 Ritters ‚Actionfilme‘ bezeichnet – und die eigentliche, titelgebende Maschine gab auch den Protagonisten ab, ein Kampfflugzeug, das in allen seinen Anwendungsmöglichkeiten vorgeführt wurde: fast eine Präzisionswaffe, mit der man Festungen, Panzer, Brücken und, an der Atlantikküste, auch Schiffe zerstören konnte, eine terrorisierende Waffe und eine fliegende Artillerie, von den Bodentruppen in der Not angefordert, bis der Blick zum Himmel sie entdeckt, die Rettung signalisiert.
Stukas wurde am 27. Juni 1941 uraufgeführt, fünf Tage nach Beginn des Russlandfeldzuges, und traf den Geschmack des Publikums, gerade die Flugszenen waren eine Attraktion in den Soldatenkinos und unter Jugendlichen. Karl Ritters Film scheint die im Vorprogramm gezeigten Wochenschaubilder fortzusetzen, wie ein Promotion-Film der Kriegsindustrie, der nicht aufhören kann, die Qualitäten seiner Waffen abzubilden und sich an ihnen zu weiden. Mit dem Ende der Blitzkriegsphase allerdings nahm auch die Bedeutung dieses Flugzeugtyps allmählich ab.
Es beginnt mit der Kriegführung aus der Luft; stets hatte Karl Ritter den Luftkrieg aus der Sicht des Fliegers gezeigt. Der Film springt ins Geschehen, und nach der Landung des Geschwaders scheint man von lautstarker, brülliger, manischer Atmosphäre schier überrollt zu werden, was an die Wirkung des Konsums der Droge Pervitin denken lässt, ein Stimulans auf Amphetaminbasis (Substanzen wie Meth oder Crystal verwandt), seit Kriegsbeginn millionenfach verwendet bei Wehrmacht und Luftwaffe. „Ihr seid ja besoffen“ wirft der Oberstabsarzt zwischen den pausenlosen Attacken um Dünkirchen ein, die Piloten würden agieren „wie im Fieber“. Für den Mediziner, der von allen am ehesten noch etwas von einem Zivilisten ausstrahlt, ist hier, wenn auch aus Bodenperspektive, eine Studie direkten Kriegserlebens gegeben.
Der Kampfflieger-Verband als faschistisches Idealmodell
Stukas führt einen wie selbstverständlich funktionierenden Kriegsmechanismus vor, betrieben von einem Personal, das als Abbild und Querschnitt der „Volksgemeinschaft“ angeordnet ist, einer Einheit grob gegeneinander abgesetzter, den Verlauf der Kriegs- wie Filmhandlung hindurch festgelegter, unveränderter Typen – unter den Flugzeugführer-Staffeloffizieren: den dröhnenden Landsknecht, den Draufgänger; den meist übellaunigen Pechvogel; den Frauenschwarm mit der zahlreichen parfümierten Post von Verehrerinnen aus der Heimat, mit schwingendem Schritt bringt er die Einsatzbefehle; das ‚Küken‘, also den Jüngsten; den gedankenvoll introvertiert gehaltenen ‚Philosophen‘. Während die einen im Feldlager mit bloßer Brust Karten spielen und der Oberstabsarzt sich am Klavier ergeht, räsoniert der Repräsentant des Geistigen in solcher Umgebung über den Tod: es sei „sinnlos, den Tod zu verwünschen. Für Dionysos, da war er ein Tänzer, für die Angst des Bürgers war er ein Knochenmann mit Sense. Ich für mein Teil glaube mehr an den Tänzer…“ – Dazugesetzt finden sich die Chargen des Bodenpersonals, zur verlässlichen Erheiterung regelmäßig platzierte, mitunter derbe Dialekt-Volkstümlichkeit der niederen Dienstgrade, etwa des Bombenwarts (Beppo Brem) und des ‚Antennenfritzen‘, des flinken Komikers mit der großen Klappe (Georg Thomalla) – die Komödienstadl-Vertreter im Unterhaltungsfach der späteren Bundesrepublik, dann der Mechaniker Traugott (Josef Dahmen), dem der Verlust einer Maschine, seines ihm ans Herz gewachsenen Flugzeugs, für das er immer verantwortlich war, emotional zusetzt – seltsamerweise wirkt dieser Affekt des gewissenhaften Facharbeiters, die technische Instandhaltung einer komplexen Maschine betreffend, am glaubwürdigsten von allen Gemütsregungen dieses Films.
Wir sehen einen Film ohne jeden Widerspruch; Differenzen untereinander, ganz zu schweigen von Konflikten, sind nur auf der Ebene von Neckereien möglich. In den Pausen schlicht und arglos, im Dienst an den Maschinen mörderisch im Befehlsgehorsam der Pflichterfüllung. Das Bild des Verbandes kann mithin als faschistisches Idealmodell gelten. Wir sehen einen reinen Männerfilm, das heißt aber auch, man findet darin genug weibliche Anteile, etwa in der medizinischen Fürsorge des Oberstabsarztes oder der Nachschub und Verpflegung organisierenden Instanz des „Spießes“, der ‚Mutter der Kompanie‘, wie man dort sagt, einer immer gestrengen Aufsicht gegenüber den niederen Chargen, dabei den Offizieren dienstbar, gemäß einer NS-idealen völkischen Rangordnung nach militärischem Vorbild, in der etwa die Unteroffiziere nie vergessen, wo ihr Platz ist. So würde sich das Drehbuch niemals einen Lacher „auf Kosten eines Herrenmenschen“ (Erwin Leiser, 1968) erlauben.
Jener Logistik-Feldwebel jedenfalls scheint vordringlich mit der Organisation von Klavieren beschäftigt, um die beiden obersten Dienstgrade, zugleich die Kulturrepräsentanten unter den „Herrenmenschen“ des Geschwaders, den Kommandeur und den Oberstabsarzt, in den Kampfpausen bei Laune zu halten. So erst kann der Doktor auf einem ‚Feldklavier‘ „Siegfrieds Rheinfahrt“ (aus dem Prolog zum ersten Akt der „Götterdämmerung“) anstimmen und gemeinsam mit dem Hauptmann vierhändig spielen. Zwischen den beiden und dem Rest der Belegschaft verläuft in dieser Hinsicht eine unsichtbare Trennlinie; Erbauung bei Wagner ist nicht jedem gegeben – die Klassik ist exklusiv, aber sie wirkt nach. Unter dem Titel „Verfilmet mir den Meister nicht. Wagner im NS-Film“ hat Reimar Volker 2013 die Wirkung von Wagnerklängen gegen Ende von Stukas so beschrieben:
„Siegfrieds Rheinfahrt“ und der Trieb hin zur Frontgemeinschaft
„In einem parallelen Handlungsstrang bemüht sich die einzige weibliche Figur des Films, Schwester Ursula, um die Genesung des unter Depressionen leidenden Stuka-Piloten Oberleutnant Wilde. Ein Besuch der ‚Kriegsfestspiele‘ in Bayreuth erscheint Schwester Ursula dabei als das beste Mittel, um Wilde für seine soldatischen Tätigkeiten zu remotivieren. Als ‚Siegfrieds Hornruf‘ zur Ankündigung der Aufführung erklingt, kommt Wilde das – schon an früherer Stelle eingeführte – Signal bekannt vor. Später im Opernhaus weckt ‚Siegfrieds Rheinfahrt‘ bei ihm Erinnerungen an die Zeit im Fliegerhorst, die in Rückblenden gezeigt wird. In der nächsten Einstellung sieht man Wilde während der Pause aus der Menge herausstürmen, um schnellstmöglich zu seinen Kameraden zurückzukehren. Ganz unter dem Eindruck der Musik – oder eher der Erinnerung, die sie auslöst – ist er von seiner Depression befreit und drängt zurück zur Front. ‚Jetzt weiß ich wieder, wohin ich gehöre‘, ruft der geheilte Pilot seiner Begleiterin zu.“
Der Trieb in die Frontgemeinschaft – „endlich wieder zuhause“, so begrüßt ihn der Kommandeur herzlich, und es scheint die Wiederherstellung eines ursprünglichen Glückszustands –, dieser Trieb wirkt wie von Richard Wagner musiktherapeutisch initiiert. Frontleben ist die dominierende Erinnerung, gesteigerten Lebensmodus verspricht die Präsenz des Krieges, abseits dessen die große Depression wartet.