Filmkritik

Suburra

| Ralph Umard |
Apokalyptischer Mafia-Thriller über Gier, Gewalt, Erpressung und Korruption in Rom

Der Filmtitel ist programmatisch. Die Suburra war ein unterhalb des Palatin-Hügels gelegene Arbeiterviertel im Rom der Antike, berüchtigt als Hort des Verbrechens und des Lasters. Die darstellerisch mitreißende, visuell ausdrucksstarke Kinoadaption des gleichnamigen Romans von Giancarlo De Cataldo und Carlo Bonini bietet ein erschütterndes Bild des Schreckens und der Dekadenz im heutigen Rom, wo Habsucht und Sittenlosigkeit herrschen. Während der altersschwache Pabst Benedikt XVI. an Abdankung denkt, will ein mächtiger Geschäftsführer der Mafia mit Hilfe eines sex- und profitgierigen Parlamentariers und finanzieller Unterstützung des Vatikans ein gigantisches Bauvorhaben in Ostia realisieren, wo eine Glückspiel-Hochburg im Stil von Las Vegas geplant ist. Der Drogentod einer minderjährigen Prostituierten und die Rachsucht eines ungehobelten Gangster-Clanchefs alter Schule führen zur Eskalation der Gewalt.

Krimispezialist Stefano Sollima führt die Tradition der gesellschaftskritischen Mafia-Filme von Damiano Damiani und Francesco Rosi eindruckvoll fort. Filmsprachlich eloquent mit Parallelmontagen, Bildsymbolik und perfekt besetztem Cast prangert Sollima (der auch die 2017 erscheinende Suburra –TV-Serie für Netflix inszeniert) moralische Verkommenheit und die Verstrickung von Politik und Kirche mit dem organisierten Verbrechen an. Ständig strömt Regen, der im Kino übliche Vorbote für drohendes Unheil, die Atmosphäre ist düster. Einer rauschgiftsüchtigen Gangsterbraut (die einzige Figur, die aus Liebe handelt) steht das Wasser einmal buchstäblich bis zum Hals. Der durchtriebene Parlamentarier, im Privatleben ein Wüstling, der „Samurai“ genannte Unterwelt-Stratege mit Pokerface, ein vor Testosteron strotzender Nachwuchsgangster sowie der grobianische Clanchef mitsamt seinem impertinenten Neffen sind prägnante Charaktere, die man nicht so schnell vergisst. Das chaotische Grossfamilienleben in der Villa des Gangsterclans kann man als Metapher für die Zustände in der italienischen Politik interpretieren.

Das Geschehen mag gegen Ende etwas konstruiert oder unglaubwürdig wirken, wie der Racheakt im Zwinger eines bissigen Hundes, der sich wie sein Herrchen verhält, ist aber realitätsnah. So wurde vergangenes Jahr bekannt, dass der römische Stadtrat von Mitgliedern der Mafia unterwandert ist, die hochdotierte Aufträge für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zugeschanzt bekam.