Ein ganz und gar gegenwärtiges und dabei doch herrlich artifizielles Science-Fiction-Melodram.
Vor drei Jahren in Rom seien sie einander das erste Mal begegnet, in Begleitung von Soundso und Soundso. Sagt der Engländer und fragt, ob sie das etwa vergessen habe. Nein, sagt die Französin, sie wisse sehr wohl, dass sie einander bereits einmal begegnet seien. Aber es sei in Neapel gewesen, vor sechs Jahren und dabei waren Dieser und Jener. Das Gespräch der beiden trägt sich zu im Rahmen einer Abendgesellschaft, sie flanieren in eleganten Roben durch elegante Salons und blicken auf Bilder, die Egon Schiele gemalt haben könnte. Paris 1910 droht in einem Hochwasser unterzugehen.
Im Los Angeles des Jahres 2014 hütet Gabrielle Monnier eine Villa in den Hügeln, während sie an ihrer Schauspiel-Karriere bastelt. Beobachtet wird sie dabei von Louis Lewanski, einem Incel kurz vor dem Ausraster; die Pistole hat er bereits im Gürtel stecken. Aber Gabrielle ist einsam und ahnungslos und versucht eine Annäherung, denn irgendetwas zieht sie zu ihm hin. Atmosphärisch droht „the big one“, das endgültige Erdbeben.
Bertrand Bonellos Science-Fiction-Melodram La bête hat noch eine dritte Ebene: Sie liegt in der Zukunft, 2044, geatmet wird mittlerweile durch Masken. Die Künstliche Intelligenz hat die Herrschaft übernommen und treibt den Menschen die Leidenschaft aus, waren es doch die extremen Gefühle, die in den Untergang geführt haben. Dafür gibt es eine Prozedur: Mit ihrer Hilfe werden frühere Leben erinnert und entstandene Traumata überwunden. Eine junge Frau zögert, sich dem zu unterziehen, und dann trifft sie auf einen jungen Mann, der ihr irgendwie entfernt bekannt vorkommt. Um nicht zu sagen: vertraut ist.
Die drei Ebenen sind verflochten, verbunden auch über gemeinsame Motive, die Fäden der Narration beschreiben ein beständiges ineinander und voneinander Weggleiten. Zusammengehalten aber wird das Ganze von der Tiefe des Gefühls, das im Inneren des Paares lebt, das nicht wagt, Paar zu werden. Oder es immer schon ist – als Chiffre jener ewigen Liebe, die alles zwingt, erst recht Zeit und Raum, und wenn es Not tut, mit Gewalt. Kühl und elegant setzt Bonello diese Epochen querende, dabei das Unheimliche wie das Horrende streifende Geschichte in Szene, die auf der 1903 veröffentlichten Erzählung „The Beast in the Jungle“ von Henry James beruht. Sekundiert von Seydoux und MacKay, die, eingedenk des Menschlichen und der Zärtlichkeit, derer es fähig ist, die inkriminierten Gefühlswesen Gabrielle und Louis gleich dreifach in ihr Recht setzen.