Robin Wright über die Besonderheiten ihrer Rolle in „The Congress“, die derzeit um sich greifenden Umbrüche in der Filmindustrie und über Hollywoods Frauenbild
Wie hat Ari Folman Sie überzeugt, diese Rolle zu spielen?
Uns hat Produzent Michael Barker zusammengebracht, der Waltz
With Bashir liebte und den ich kenne, seit ich in der Filmbranche bin. Er wusste, dass Ari Stanislaw Lems Science-Fiction-Roman „Der Futurologische Kongreß“ in einen Sozialkommentar über Hollywood verwandeln wollte. Und statt eine Darstellerin zu besetzen, die einen Filmstar spielt, warum nicht gleich eine Schauspielerin nehmen, deren eigene Karriere und Image sich in der Rolle spiegeln? Und ich dachte nur: „Verdammt, wie cool wäre das denn? Lasst es uns machen!“ Wir haben dann fast zwei Jahre darüber geredet, wie man die Geschichte dieser Schauspielerin konzentrieren und überhöhen kann. Denn es ist ja in dem Sinn nicht wirklich autobiografisch.
Aber doch zumindest in der Hinsicht, dass Sie nicht die Karriere hatten, die Hollywood gern erwartet hätte.
Zum Glück nicht! Aber abgesehen vom Namen und den Filmen, in denen sie mitgespielt hat, gibt es nicht viele Parallelen. Wir mussten die Figur und ihre persönliche Geschichte also erst einmal aufbauen, rund um die Idee einer Darstellerin, die zur virtuellen Darstellerin wird.
Haben Sie eigene Ängste oder Eigenheiten mit in diesen Film eingebracht?
Nein, null. Wirklich. Ein Beispiel: Im Film habe ich einen Sohn und eine Tochter, die älter ist. Und wir haben die beiden Filmtitel aus meiner frühen Karriere übernommen, auf die ich auch heute noch jeden Tag angesprochen werde, The Princess Bride und Forrest Gump. Das haben wir von meinem eigenen Leben übernommen, aber da endet es auch schon. Ich lebe in keinem Flugzeughangar, mein Agent hat mir nie, nie solche Dinge gesagt. Im Gegenteil, er beglückwünscht mich immer wieder dazu, dass ich mich nicht verkauft habe und eine Celebrity geworden bin. Ich habe bewusst nicht jeden großen Studiofilm gemacht und mich ausgebrannt. Das war nie meine Natur, und mein Agent war mir da immer mein engster Vertrauter und Unterstützer. Deswegen ist er auch noch immer mein Agent.
Spielten die Erwartungen der Medien in Sie oder Filmstars im Allgemeinen eine Rolle dabei?
Absolut. Was mir mein Agent zu Beginn des Films über mein
Alter und meine schrumpfenden Chancen sagt, wurde wahrscheinlich genau so schon im klassischen Hollywood allen Schauspielerinnen um die Ohren gehauen. Damals gehörten Schauspieler buchstäblich den Studios, sie waren deren Eigentum. Und viele litten unter dieser Leibeigenschaft. Marilyn Monroe ist wohl das prominenteste Beispiel dafür. Sie nahm sich deswegen sogar das Leben.
Sehen Sie das Scannen als akute Gefahr für Schauspieler?
Das Potenzial ist definitiv da. Ich habe zwei Motion-Capture-Filme mit Robert Zemeckis gedreht und wurde dafür komplett gescannt. Ich war in einer Maschine, nicht so groß wie diese Lichtblase in The Congress, denn diese Szene war der schlimmste aller Drehtage, aber die echte war auch nicht ohne. Man kriegt keine Luft darin, man muss alle fünf Minuten eine Pause machen und man fühlt sich komplett ausgelaugt, es wird einem buchstäblich die Seele ausgesaugt. Es sind stakkatoartige Infrarotlichter, die jede Mimik und Gestik registrieren und aufzeichnen. Es ist ohne Frage zerstörerisch. Ist das Teil der Zukunft? Ja. Werden deswegen Schauspieler überflüssig? Nein. Aber was wir mit dem Film zeigen wollen ist, wie einfach es wäre. Denn am Ende geht es nur um’s Geldverdienen. Und das tut man heute mit Animationsfilmen, Comicverfilmungen und Blockbustern, in denen die immer gleichen Megastars mit Maschinengewehren Terroristen jagen. Es ist traurig, aber der Mittelbau in Hollywood löst sich langsam, aber sicher auf. Es gibt entweder kleine Independentfilme unter drei Millionen Dollar oder die großen Blockbuster, die von 50 Millionen Dollar aufwärts kosten. Die Filmindustrie hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren radikal gewandelt.
Sie sind mit 47 Jahren besser im Geschäft als jemals zuvor. In den USA spielen Sie eine Hauptrolle in der Serie House of Cards, demnächst sind Sie in Anton Corbijns neuem Film A Most Wanted Man zu sehen. Hat sich das Frauenbild in Hollywood verändert?
Die schwierige Phase für weibliche Rollen war immer um die Ende 30, es ist sehr schwer, tolle Rollen in dieser Altersstufe zu finden. Meryl Streep in Silkwood, das war eine sehr große Ausnahme. Und ich hatte mich dafür entschieden, während der Schulzeit nicht zu drehen, sondern mich um meine Kinder zu kümmern. Das war mir schon mit 23 klar. Jetzt sind sie aus dem Haus, gehen auf‘s College, und ich kann wieder mehr arbeiten. So einfach ist es.
Was hat Sie an House of Cards gereizt?
Die Serie ist einfach verdammt gut geschrieben. Und im Fernsehen, beziehungsweise im Internet, denn House of Cards ist eine Live-Stream-Serie von Netflix, trauen sich die Leute noch Risiken einzugehen. Da kommt keiner und sagt: „Ihr könnt nur einmal ‚Fuck‘ sagen.“ Oder ein Kuss darf nur eine bestimmte Zeit dauern. Oder: keine Brüste! Es ist völlig irre, wie restriktiv die Regeln in Amerikas Filmindustrie sind. Im Bezahlfernsehen ist das anders. Und als David Fincher mir die Rolle neben Kevin Spacey anbot und wir zusammen diese Figur entwickelten, dachte ich nur: „Wow, genau dafür bin ich Schauspielerin geworden!“ Wir sind damit Teil einer Revolution, denn wir bieten den Zuschauern, dass sie das ansehen können, wann und wo auch immer sie wollen. Sie sind nicht mehr an die Ausstrahlungstermine der Fernsehsender gebunden, sondern laden es sich aufs iPad oder iPhone. Das taten sie vorher auch schon, deswegen ist die Internet-Piraterie so groß geworden. Wir bieten ihnen eine legale Alternative.
Haben Sie jemals eine Ihrer Entscheidungen bereut?
Niemals. Sonst hätte ich auch diesen Film nicht gemacht.
War es schwierig, gewisse Erwartungen nicht zu erfüllen?
Nein, weil ich früh aus dieser Blase namens Los Angeles weggezogen bin, das hat sehr geholfen. Wäre ich geblieben, hätte ich wahrscheinlich längst ein Facelifting. In Marine County, Kalifornien, und nicht in diesem Zirkus zu leben, war meine Rettung.
Sie sind eine der wenigen Hollywoodstars, die nicht an sich herumschnippeln lassen …
Traurig, oder? Ich weiß nicht, wo das alles hinführen soll. Damit konditionieren wir doch die Zuschauer, die nur noch junge Stars oder alterslose Frauen zu sehen bekommen. Deswegen arbeite ich auch lieber mit internationalen Filmemachern zusammen, weil sie eine andere Sensibilität haben.