Wes Anderson schickt drei Brüder auf einen skurrilen Selbstfindungstrip durch Indien.
Wenn wir in The Darjeeling Limited erstmals den gleichnamigen Zug zu sehen bekommen, deutet Wes Anderson buchstäblich im Vorbeigehen den provokantesten Aspekt seines Films an. Denn er lässt einen der Protagonisten erst die mit Einheimischen dicht besetzte „Holzklasse“ durchqueren, bevor die komfortable Abgeschiedenheit des Abteils erreicht ist, das der US-Amerikaner Peter (Adrien Brody) mit seinen Brüdern Jack (Jason Schwartzman) und Francis (Owen Wilson) teilt. Letzterer hat ein Jahr nach dem Unfalltod des Vaters ein Wiedersehen initiiert und nennt als Ziel der Reise durch Indien, dass die Brüder zu sich selbst finden und die emotionale Bindung zueinander festigen mögen. Zu dem Zweck sieht sein Reiseplan, den er in Plastik geschweißt verteilt, den Besuch „spiritueller Orte“ vor, was reichlich blasiert klingt, weil das Trio mit früheren Anderson-Figuren sowohl Selbstbezogenheit wie wohlbetuchte Dekadenz teilt. Francis hält denn auch ganz unbefangen einem kindlichen Schuhputzer seine 4.000 Dollar teuren Schuhe unter die Nase.
Doch die Ignoranz gegenüber Indien und seinen Menschen mag man den Dreien nicht verübeln, denn sie verrät eine geradezu kindliche Naivität. Amüsant ist sie ohnehin, wobei Anderson die komische Wirkung, wie gewohnt, durch seinen eigensinnigen trockenen Erzählton dämpft. Zudem verliert der angedeutete Kontrast mit der Umwelt an Schärfe, weil der Schauplatz Indien bald einem typisch detailverliebten Paralleluniversum gleicht. Wie in dem Pariser Hotelzimmer, das alleiniger Handlungsort eines als Kurzfilm konzipierten Prologs ist, ist die Ausstattung auch im ti-telgebenden Zug augenfällig opulent.
Unter diesen Umständen ist es umso gewagter, wenn Anderson die melancholische Egozentrik seiner Figuren plötzlich durch ein Unheil aufbricht, das anonym bleibenden indischen Nebenfiguren zustößt. Ein einleitender, hektischer Zoom unterstreicht, dass diese Tragödie in keiner Weise durch die vorangehende Handlung veranlasst ist, weshalb man es schon als Leistung betrachten mag, dass die Episode nicht obszön wirkt. Freilich bewirkt sie auch nicht die offenbar erwünschte gesteigerte Anteilnahme am Schicksal des nun geläuterten Trios, denn eine Rückblende, die abrupt eingeschoben wird, verdeutlicht bloß, wie wenig wir über die Brüder wissen. Wie die gesamten Charaktere in Andersons Filmen bleiben sie reine Kunstfiguren, so originell und charmant sie auch erfunden sein mögen.