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The End of the Neubacher Project

| Ernst Pohn |

Die schonungslose Dokumentation einer sehr persönlichen Familiengeschichte ist gleichzeitig ein Abbild österreichisch-typischer Vergangenheitsbewältigung.

Regisseur Marcus J. Carney begann bereits 1997 im Rahmen eines Filmworkshops in Amsterdam an einem Film über seine Familie zu arbeiten. Carneys Verwandtschaft mütterlicherseits wird zum filmischen Untersuchungsobjekt, wobei die Familie Neubacher beispielhaft für die mangelhafte Bereitschaft der Österreicher zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit steht. Die Neubachers spielten während der NS-Zeit eine sehr aktive Rolle in der Partei, unter ihnen etwa „Onkel Herrmann“ (Neubacher), der 1938 Bürgermeister von Wien wurde. Knapp die erste Hälfte des Films widmet Carney dieser Zeit. Seine Nachforschungen sind getrieben von persönlicher Betroffenheit und präsentieren sich ohne Zurückhaltung gegenüber seiner Familie. Einem Onkel entlockt er vor laufender Kamera die Bemerkung, dass der die Zahl der ermordeten Juden für übertrieben halte und auch die Großmutter verleitet Carney zum Eingeständnis ihrer nach wie vor bestehenden Zustimmung zur Nazi-Ideologie.

Je länger der Film dauert, desto weiter entfernt sich Carney von der bloßen Aufarbeitung der NS-Zeit und offenbart die Konsequenzen, die ein langjähriger Verdrängungsprozess für eine ganze Familie haben kann. Schuld wird unaufgearbeitet an die Kinder und deren Kinder weitergegeben. Carney bohrt weiter und arbeitet in Folge auch die Beziehung zwischen ihm und seiner Mutter auf. Zwischen die Interviews stellt er immer wieder scheinbar unbedeutende Alltagsszenen dieser „ganz normalen österreichischen Familie“.

Stilistisch geriet die Dokumentation betont privat im Sinne eines Homevideos. Mit kleiner Digitalkamera gedreht, gibt es kaum Bilder die nicht verwackelt wären und auch der Schnitt vermittelt den Eindruck einer unfertigen Rohversion. Carney selbst meinte, während der acht Jahre, die er insgesamt an dem Film gearbeitet hat, den Projektstatus nie verlassen zu haben. Genauso wie auch das Projekt Familie ein unfertiges, lebenslanges Projekt sei. Bis zum Schluss bleibt er bei der Aufarbeitungsarbeit sehr persönlich und kennt sowohl gegenüber seiner Familie, als auch gegenüber sich selbst keine Rücksicht, selbst als seine Mutter an Krebs erkrankt. Was Marcus Carney in mehrjähriger Vergangenheits- und auch Gegenwartsbewältigung stellvertretend für viele andere österreichische Familien herausfindet, gerät zur emotionalen Belastungsprobe, die auch die Zuseher zu spüren bekommen.