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The Farewell

Filmkritik

The Farewell

| Andreas Ungerböck |
Asiatisch-amerikanische Komödie mit melodramatischen Anflügen

Lange Zeit waren Asian-Americans, immerhin eine nicht unbeträchtliche Bevölkerungsgruppe der USA, im Kino nicht sichtbar, oder wenn, dann als üble Karikaturen (Breakfast at Tiffany’s), als Gangster (Year of the Dragon) oder als überfallene Ladenbesitzer (Do the Right Thing u.a.). Seit dem Mega-Erfolg von Crazy Rich Asians (2018) scheint sich das allmählich zu ändern, denn Lulu Wangs The Farewell ist bereits das nächste ziemlich erfolgreiche Beispiel – ein Crowdpleaser ersten Ranges, das beweisen mehrere Publikumspreise bei Festivals, u.a. in Sundance. So unterschiedlich die beiden genannten Filme sind (Crazy ist wesentlich überdrehter und bunter), einen wesentlichen Handlungsstrang haben sie gemeinsam: Amerikanisierte Asiaten, in diesem Fall eine chinesischstämmige Familie, machen sich auf zu ihren Wurzeln und erfahren so einiges über sich selbst.

Im Mittelpunkt steht Billi, eine verbummelte New Yorker Studentin Anfang 30, die erfährt, dass ihre geliebte Großmutter in China an unheilbarem Krebs leidet. Die ganze Familie (ihre Eltern, ihr in Japan lebender Onkel, ihre Großtante) beschließen, der Oma, die die Diagnose nicht selbst erfahren hat, nichts davon zu sagen, sie aber „ein letztes Mal“ zu besuchen. Damit das unauffällig vor sich geht, muss Hao Hao, Billis „japanischer“ Cousin, seine Freundin Aiko heiraten, obwohl er diese erst seit drei Monaten kennt. Gesagt, getan: Alle reisen nach China und spielen der Oma eine veritable Komödie vor, die ein wenig daran krankt, dass es allzu melodramatische Einschübe gibt – vor allem, wenn Billi und ihre Großmutter alleine sind. Die Oma wird von Zhao Shuzhen gespielt – und das ist das wirklich Bemerkenswerte an dem Film, denn sie ist die „echte“ Großmutter der Regisseurin, also tatsächlich und wahrhaftig jene Person, um die sich alles dreht. „Based on an actual lie“ steht denn auch am Beginn des Films. Trotz fataler Diagnose lebt Frau Zhao heute, sechs Jahre später, erfreulicherweise immer noch.

Abgesehen von der erwähnten Unentschlossenheit ist The Farewell – vor allem für Menschen, die sich für China und dortige Gegebenheiten interessieren – schlüssig und bietet interessante Einblicke in das aktuelle Leben im Wirtschaftswunderland. Seine Stärken hat der Film darin, dass er die angesprochenen Fragen – Wurzeln, kulturelle Identität und Zugehörigkeit – sehr sorgfältig und, klarerweise, aus erster Hand beleuchtet. Neben Zhao Shuzhen ist die chinesisch-koreanisch-amerikanische Rapperin und Schauspielerin Awkwafina tragende Säule des Films. Sie war nicht nur auch in Crazy Rich Asians zu sehen, sondern scheint aktuell so etwas wie der neue Asian-American Superstar zu werden. Zu Recht.